Nicht jeder hat Lust oder die Möglichkeit, im Sommer zu verreisen. Aber der alte Satz “Warum in die Ferne schweifen, siehe, das Gute liegt so nah“ hat auf jeden Fall seine Berechtigung. Die Lüneburger Rundschau stellt in einer Serie Ziele für den Urlaub daheim vor. In dieser Woche Kirchen. Heute: St. Mariä in Tripkau.

Tripkau. Wer an der Kirche entlang der Hauptstraße von Tripkau vorbeifährt, sieht eine hübsche kleine Dorfkirche. Schnuckelig sieht sie aus, die ehemalige Betscheune, mit ihrem Fachwerk, ihrem Türmchen und dem goldenen Reiter darauf. Wer die Tür aufstößt und in die Kirche hineingeht, sieht erst mal einmal gar nichts. Jedenfalls nicht von dem, was er erwartet. Nichts ist in St. Mariä so, wie es von außen vermuten lässt. Alles ist anders.

Es gibt keine Kirchbänke, sondern Stühle. Das ist zwar schon ungewöhnlich für eine so alten Bau, aber nichts gegen den Rest der Andersartigkeit. Die Kirche ist ein modernes Kunstwerk. Hunderte ein Mal ein Meter große Kreuze durchziehen den Raum, die weiß gestrichenen Balken, Gewölbe, Wände und Decken so wie den mit Formziegeln gefliesten Boden. Sie stehen aufrecht oder gekippt, sind ganz oder nur in Teilen sichtbar. Sie fliegen auf den Betrachter zu, machen schwindelig, machen ruhig.

Denn nach längerem Hinsehen ordnen sich die Bruchstücke und lassen die Symmetrie erkennen: In Diagonalen durchziehen die goldenen Kreuze das Kirchenschiff, im Wechsel aufrecht stehend oder gekippt wie ein Andreaskreuz. Scheinbar grenzenlos durchströmen sie den Raum - und nehmen doch die Struktur des Fachwerks auf.

Mitte der 90er-Jahre beauftragte die Gemeinde den renommierten Kunstprofessor Ludwig Ehrler mit der Neugestaltung des Innenraums, eine Sanierung war ohnehin dringend notwendig und wurde zwischen 1996 und 1998 durchgeführt. Im September des Jahres 1998 schließlich wurde St. Mariä neu geweiht. Acht Jahre später schaffte die Gemeinde sogar passende Altardecken dazu an: Sechs Stolonen mit weißen Kreuzen auf farbigem Untergrund ließ die Gemeinde in einer Paramentenwerkstatt anfertigen.

Natürlich hatte es damals auch Widerstand in der Gemeinde gegen die ungewöhnlichen Pläne gegeben, daraufhin wurde ein Modell gebaut. Die Gläubigen waren umgestimmt. Selbst die älteste Tripkauerin, heißt es, habe gesagt: "Das ist gut. Wir müssen etwas ganz anderes machen."

Das ist gelungen. Die Landeskirche zahlte 600 000 Euro für die Gestaltung, und heute ist St. Mariä zu Tripkau einmalig in der Hannoverschen Landeskirche. 1759 als Betscheune errichtet, wurden der Kirche rund 100 Jahre später ein Turm gebaut, ein Chor und eine Sakristei. Die Kanzel, der Taufstein und das Altarkreuz stammen aus dem 19. Jahrhundert, die Empore aus dem 18. Jahrhundert.

So gibt es in St. Mariä durchaus einiges von dem, was Besucher von einer hübschen kleinen Dorfkirche erwarten: ein barockes Orgelpositiv, ein kleines Taufbecken, eine hölzerne bemalte Kanzel und ein jahrhundertealtes Altarkreuz. Ansonsten aber ist alles anders.