Nicht jeder hat Lust oder die Möglichkeit, im Sommer zu verreisen. Aber der alte Satz “Warum in die Ferne schweifen, siehe, das Gute liegt so nah“ hat auf jeden Fall seine Berechtigung. Die Lüneburger Rundschau stellt Ziele für den Urlaub daheim vor. Diese Woche Kirchen. Heute: St. Marien.

Scharnebeck. Die Kirche St. Marien zu Scharnebeck erzählt Geschichten. Nie war sie eine museale Kirche, sondern stets Gotteshaus einer lebendigen Gemeinde. Jede Generation hat sich in ihr verwirklicht und das Erscheinungsbild den eigenen Vorstellungen angepasst. So ist die Marienkirche im kunsthistorischen Sinne sicherlich nicht wunderschön zu nennen, dafür aber einmalig.

Sie gibt Auskunft über eine 750jährige Geschichte, die im Jahr 1253 mit der Übersiedlung des Zisterzienserklosters von Steinbeck bei Bispingen nach Scharnebeck begann. Mehr als 300 Jahre wirkten die weiß gekleideten Mönche nach den berühmten Regeln der Ordensverfassung "Ora et labora" ("Bete und arbeite").

Das Kloster wurde 1531 im Zuge der Reformation aufgelöst. Erhalten geblieben ist einzig die Westwand des ehemaligen Kreuzgangs sowie Relikte der seitdem mehrfach baulich veränderten Klosterkirche. Dennoch pilgern nach wie vor Touristen nach Scharnebeck, auf der Suche nach dem alten Zisterzienserkloster.

Bereits der 30jährige Krieg hinterließ seine zerstörerischen Spuren und brachte die seit der Auflösung des Klosters zur evangelischen Gemeinde des Ortes gehörende Kirche in einen Besorgnis erregend Zustand. Es bestand akute Einsturzgefahr, so dass Anfang des 18. Jahrhundert sogar mit dem Abriss des Gotteshauses begonnen wurde. Erst im letzten Moment fiel die Entscheidung, den Chorraum zu belassen, obwohl dessen riesiges Deckengewölbe bereits bis in die Fensterzone hinein abgerissen war. Versehen mit einer flachen Decke entstand daraus der heutige Altarraum; ihm angeschlossen der Anbau eines einfachen Kirchenraums.

Der in den Farben Hellblau und Weiß gehaltene Innenraum der Kirche lädt ein zu einer Entdeckungsreise in die Vergangenheit. Das in Teilen erhaltene mittelalterliche Chorgestühl bot den Priestermönchen während des Gottesdienstes Platz zum Sitzen, Stehen oder Knien. Auf den Außenseiten des Gestühls, den Wangen, erzählen kunstfertige Schnitzereien biblische Geschichten wie die des Kampfes zwischen David und Goliath.

Einen festen Platz in der Kirche gefunden hat die Patronin der Zisterzienser, die Madonna mit dem Jesuskind. Die aus Sandstein gehauene Marienfigur von über einem Meter Länge war eine Schönheit ihrer Zeit aus dem späten 14. Jahrhundert und ursprünglich Bestandteil der Klosterkirche.

Das liebevolle gestaltete Gesicht der jungen Frau mit hoher Stirn, großen Augen, zierlicher Nase und einem Lächeln auf den Lippen, rührt noch heute den Betrachter an, der sich auf sie einlässt. Ursprünglich hatte die Madonnen-Statue ihren Platz im Freien. Regen und Wind haben dem Kunstwerk über die Jahrhunderte sehr zugesetzt. Und so ist kaum mehr erkennbar, das die Statue einst auch farbig bemalt war. Verloren gegangen ist über die Jahrhunderte auch ein Vögelchen, welches das Jesuskind in Händen hielt.

Über manche kuriose Geschichte geben Unterlagen des Pfarrarchivs Auskunft. So wurden 1601 im St. Marien zwei Kinder aus der Türkei getauft. Sie wurden vom Herzog Franz von Braunschweig aus Ungarn mitgebracht und erhielten die sehr christlichen Namen Christine und Christianus.