Deutschlandweit einmaliges Projekt zur Berufsorientierung macht Hauptschüler aus Schneverdingen fit für den Beruf

Soltau. "Ich will unbedingt in Arbeit. Zimmermann möchte ich werden", sagt Sebastian Beuße. Der 15 Jahre alte Schüler aus Schneverdingen besucht die neunte Hauptschulklasse der Kooperativen Gesamtschule in Schneverdingen (KGS). Einmal wöchentlich fahren er und 22 weitere Hauptschüler in die Soltauer Außenstelle der Technischen Ausbildungsstätte Uelzen, kurz TAS genannt.

Es sind junge Menschen, die sich auf das Berufsleben vorbereiten. Viele von ihnen wollen nicht länger als nötig die Schulbank drücken und am liebsten bald eine Ausbildung beginnen. Doch haben es Absolventen der Hauptschule zunehmend schwer, direkt nach dem Schulabschluss einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Um das zu ändern, gibt es seit dem Sommer das Projekt "Jobwärts" an der Gesamtschule Schneverdingen. Darin werden Schüler, allen voran Neuntklässer, intensiv auf den Einstig ins Berufsleben vorbereitet. In den Bereichen Wirtschaft, Technik Holz, Technik Metall und Hauswirtschaft erfahren Jungen und Mädchen eine fachpraktische Qualifizierung, bei der die wesentlichen Inhalte des ersten Ausbildungsjahres vermittelt werden.

"Stolz wie Oskar stehen die Schüler montagmorgens am Bahnhof, um nach Soltau zu fahren. Die meisten nämlich sind schulmüde und erkennen jetzt, dass es sich lohnt, für etwas zu arbeiten, das ihnen gefällt", sagt Mani Taghi-Khani, Leiter des Hauptschulzweiges der Gesamtschule. Ziel sei es, Ausbildungsreife und Berufsorientierung der Schüler nachhaltig zu verbessern, um ihre Chancen auf eine Ausbildungsstelle zu erhöhen, so der 36-Jährige.

Sebastian Beuße ist hoffnungsvoll. Schon im vergangenen Schuljahr hat er ein Praktikum als Tischler absolviert. "Bewerbungen schreibe ich auch schon", sagt er. Innerhalb des Projekts ist zudem ein freiwilliges Betriebspraktikum in den Ferien möglich. Im Idealfall wird das Praktikum zu einer Eintrittskarte für eine Berufsausbildung.

"Die ersten Schüler haben bereits einen Ausbildungsvertrag in der Tasche", sagt Taghi-Khani. Es sei zu erwarten, dass Ende des Schuljahres viele Neuntklässer aus dem Projekt einen Ausbildungsvertrag unterzeichnet hätten. Dann müssten statt bisher drei zehnte Klassen - in denen auf den Realschulabschluss hingearbeitet wird - nur zwei eröffnet werden.

Seinen Erfolg verdankt Jobwärts einem starken Team, das hinter dem Projekt steht. Unentbehrliche Kooperationspartner sind die Deutsche Angestellten Gesellschaft (DAA), die wiederum mit der TAS zusammenarbeitet, sowie die Agentur für Arbeit Uelzen. Am Standort der DAA in Soltau kann sich jeder Jugendliche über das Jahr verteilt in vier verschiedenen Berufen ausprobieren.

Im ersten Jahr des Jobwärts-Programms nehmen 55 von 265 Hauptschülern der KGS teil. Mit insgesamt 1600 Schülern ist die Gesamtschule Schneverdingen eine der größten Schulen Niedersachsens. Seit 2009 sind alle Hauptschulen Niedersachsens verpflichtet, den Schülern entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit und ihren Neigungen eine individuelle Berufsorientierung und Schwerpunktbildung im Bereich der beruflichen Bildung zu ermöglichen.

Das einjährige Berufsorientierungsprojekt Jobwärts geht noch weiter und bietet den Teilnehmern außerdem ein viertägiges Kompaktseminar. Dazu gehört unter anderem ein intensives Bewerbungstraining, das mit Vertretern der lokalen Wirtschaft aus Schneverdingen geführt wird. Kerstin Kuechler-Kakoschke, 45, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Uelzen sagt: "Diese Form der Berufsorientierung ist noch einmalig und wird zur Nachahmung empfohlen." Bei ihr treffen beide Seiten aufeinander: Arbeitssuchende und Stellenanbieter. "Oftmals klagen Betriebe über unmotivierte Schüler und ziehen sich zurück. Mit dem Projekt erhoffen wir uns bei den Schülern einen Motivationsschub und die Erkenntnis: Ich muss für meinen Traumberuf arbeiten."

Jobwärts ist ein aufwendiges und teures Projekt. Die Kosten für das laufende Jahr betragen 45 000 Euro. Kommen im nächsten Jahr noch die Gewerke Maler und Lackierer hinzu, ist mit 48 000 Euro zu rechnen. Möglich wird das Projekt erst durch das Engagement und die finanzielle Beteiligung der Arbeitsagentur sowie einiger weitsichtiger Sponsoren.

"Wir haben die Möglichkeit, mit 50 Prozent eine Maßnahme zur vertiefenden Berufsorientierung zu genehmigen und zu finanzieren", sagt Kuechler-Kakoschke. Lehrer Mani Taghi-Khani hofft, dass sich im nächsten Durchgang des Programms auch Betriebe aus Schneverdingen beteiligen - nachdem sie gute Erfahrung mit motivierten Hauptschülern gemacht haben.