Der Gutachter Hans-Joachim Torke berichtet dem Wirtschaftsausschuss über die möglichen Perspektiven der Lüneburger Innenstadt.

Lüneburg. Rund 78 000 Einwohner, davon geht Gutachter Hans-Joachim Torke aus, wird die Stadt Lüneburg im Jahr 2020 haben. "Das bringt zusätzliche Kaufkraft. Und auch die Beliebtheit der Stadt bei den Touristen steigt weiter", sagt Torke - einen Anstieg von 4,2 Prozent bei den Übernachtungen verzeichnete die Hotellerie allein im vergangenen Jahr. Gute Vorzeichen für den Lüneburger Einzelhandel. Insbesondere, wenn es gelingt, Monokulturen durch eine gesunde Mischung im Angebot zu vermeiden und die öffentlichen Räume attraktiv zu halten. Um das "Kaufhaus Innenstadt" müsse man sich unter diesen Vorraussetzungen keine Sorgen machen, so Torke.

Der Gutachter hatte die Perspektiven der Einzelhandelsentwicklung in der Stadt Lüneburg untersucht und legte die Ergebnisse nun dem Wirtschaftsausschuss vor. Dienen soll das Gutachten als Grundlage für die zukünftige bauplanungsrechtliche Entwicklung. Dass ein rechtlicher Rahmen gebraucht wird, machte Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) klar. "Wenn wir keinen planungsrechtlichen Rahmen schaffen, in dem wir uns mit den Investoren bewegen, können wir kaum etwas von dem, was an uns im Bauamt herangetragen wird, abwehren. Dann bleibt als Totschlag-Argument nur das Verkehrsgutachten. Wir haben dann irgendwann Verhältnisse wie in den USA, wo plötzlich ein Supermarkt neben einem Einfamilienhaus stehen kann", sagte der Oberbürgermeister.

Aus diesem Grund müsse die Fassung des letzten Einzelhandelsgutachtens für die Stadt aus dem Jahr 2008 fortgeschrieben werden. "Für das Lucia- und das Postgelände stehen Bebauungspläne an, das geht nicht mehr mithilfe von Einzelgutachten", erklärte Mädge.

+++ Perspektiven des Einzelhandels ausgelotet +++

Schließlich müsse die Stadt sich gegen die Konkurrenz aus der benachbarten Metropole Hamburg wehren. Auch das Factory-Outlet-Center (FOC) in Soltau könnte Kundenströme abfangen, befürchteten Ausschussmitglieder. Hier versuchte Torke die Diskussion zu beruhigen. "Wir haben das FOC und seine voraussichtlichen Auswirkungen auf die Stadt in unserem Gutachten berücksichtigt. Doch die Bedeutung dieser Einrichtung wird für den örtlichen Handel in Soltau ungleich größer sein als in Lüneburg", sagte er. Die Euphorie um die Outlets sei längst abgeebbt, im Grunde handle es sich um einen groß angelegten Fabrikverkauf. "Und den gab es schon immer", sagte Torke.

Nach der Bedeutung des Internetverkaufs für den Einzelhandel fragte Ratsherr Ulrich Blanck von den Grünen. Auch hier sah der Gutachter keine akute Gefahr. "Bisher ist keine Einzelhandelssparte durch das Internet ausgestorben. Befürchtet wurde das für den Buchhandel, doch die Buchhandlungen haben sich weiterentwickelt. Sie sprechen eine bestimmte Klientel an, die auf das Einkaufserlebnis nicht verzichten möchte - und das ist auch das Geheimnis: Der Einzelhandel muss mit seinem Sortiment beweglich bleiben", sagte Torke. Betrachtet hat er auch die Situation der kleineren Nahversorgungszentren rund um den Stadtkern. Die größten Leerstände gibt es derzeit im Bereich Goseburg-Zeltberg, wo rund 13 000 Quadratmeter Gewerbeflächen leer stehen. Einen Grund zur Sorge sieht er darin nicht, insgesamt sei die Versorgung der Bevölkerung auf dem ganzen Stadtgebiet durchaus zufriedenstellend. "Erhebliche Ansiedlungsspielräume gibt es aber noch bei den Bau- und Heimwerkermärkten, auch wenn dort bereits einiges vorhanden ist. Die Ausgaben der einzelnen Haushalte in diesem Bereich sind hoch", erklärte der Gutachter. Entwicklungspotenzial sieht er vor allem für das derzeit recht kleine Nahversorgungszentrum auf dem Kreideberg. "Viele junge Familien ziehen jetzt dorthin, da sehe ich auch noch Möglichkeiten", stimmte Ratsherr Andreas Meihsies von den Grünen zu.

Die Standorte Bilmer Berg und Schwalbenberg solle man für den Einzelhandel dagegen nicht weiter ausbauen und im Ilmenaucenter nur noch Fachmärkte mit niedriger Kundenfrequenz ansiedeln. Die Verkehrssituation erlaube nichts anderes, sagte Torke. Der Präsentation gefolgt waren auch die anwesenden Bürgermeister aus Adendorf und Bardowick. Mit beiden Stadtrandgemeinden gibt es ein Abkommen zur Zusammenarbeit bei der regionalen Entwicklung. "Nachdem der Pulverdampf des Wahlkampfs verzogen ist, werden eventuell ja auch andere Gemeinden über eine Zusammenarbeit mit uns noch einmal neu nachdenken", sagte Mädge. Schließlich sei die Kooperation auf diesem Gebiet für alle von Vorteil. "Wir wollen uns gegenseitig nicht das Wasser abgraben", sagte er.