Stadtverwaltung wehrt sich gegen Vorwürfe aus einer Studie, die Kita-Gebühren seien zu hoch. Kosten sollen 20 Prozent nicht überschreiten.

Lüneburg. Den Vorwurf unsozialer Kita-Gebühren weisen die Verantwortlichen in der Verwaltung der Hansestadt Lüneburg entschieden zurück. Im Gespräch mit der Rundschau nahmen Waldemar Herder und Horst-Günther Kirch jetzt Stellung zu der Studie des Verbraucherportals Geld.de, wonach Lüneburg im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen der Stadt zu hohe Gebühren für die Kinderbetreuung berechnet.

Ein Ganztagsplatz in einem Kindergarten kostet Eltern in der höchsten Einkommensklasse 352 Euro, ein Halbtagsplatz 205 Euro und ein Krippenplatz 400 Euro. "Allein das Einkommen zur Berechnung der Beiträge heranzuziehen, ist sozial ungerecht und unfair", hatte der Politologe Dr. Konstantin Korosides gegenüber der Rundschau gesagt. Die Stadt versuche, ihre Schulden "zu Lasten der Kinder abzutragen".

Die Behauptung nennt der Fachbereichsleiter Familie und Bildung der Stadtverwaltung "hahnebüchen". Waldemar Herder sagte gegenüber der Rundschau: "Davon kann keine Rede sein. Wir müssen mit Steuermitteln moderat umgehen, betriebswirtschaftlich denken und die tatsächlichen Kosten als Grundlage für unsere Berechnung annehmen."

831 Euro betragen die für einen Ganztagsplatz, 462 Euro für einen Halbtagsplatz. Davon trägt das Land laut Herder 15 Prozent, 20 Prozent decken die Elternbeiträge: "Das bedeutet, dass die Stadt 65 Prozent zahlt."

In absoluten Zahlen heißt das: Aufwendungen von 14,6 Millionen Euro standen im Jahr 2010 Einnahmen von 4,1 Millionen gegenüber, die Kommune zahlte also 10,5 Millionen aus ihrem Etat. Für 2011 liegt der Planungsansatz bei 15,4 Millionen Euro an Aufwendungen und 4,4 Millionen Euro an Einnahmen - bleibt eine Belastung von elf Millionen für die Hansestadt.

Statistiker: "Kita-Gebühren sind unsozial"

Wie eine Kommune wie Chemnitz etwa Kosten von 392 Euro pro Kind berechne, kann Herder nicht nachvollziehen. "Wie das geht, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Allerdings haben wir im Vergleich zu anderen Städten andere Qualitätsstandards." So gibt es in Lüneburger Einrichtungen nur 23 statt der erlaubten 25 Kinder pro Gruppe, außerdem werden nur Erzieher beschäftigt.

Herders Kollege Horst-Günther Kirch hat ausgerechnet: Bei einer Gruppengröße von 25 Kindern lägen die Kosten bei 765 Euro pro Kind und Ganztagsplatz. Würde die Stadt als Zweitkräfte Sozialassistenten oder Kinderpfleger einstellen, sänke der Betrag um zusätzliche 15 Euro. Ein weiterer Kostenfaktor ist laut Herder die Mittagsversorgung: "Wir wollen gesundes Essen und Gesundheitserziehung, jede Kita hat daher eine Lernküche. Das ist ein Qualitätsstandard, der Geld kostet." Perspektivisch rechnet Herder allerdings eher mit einer Anhebung der Standards als einer Absenkung - "das ist politischer Wille".

Politischer Wille des Rats sei es außerdem, den Anteil der Finanzierung durch Elternbeiträge bei 20 Prozent zu belassen. Um das nach den Tarifsteigerungen zu ermöglichen, hat die Stadt laut Herder die Gebühren erhöhen müssen, und zwar 2010 und 2011 um jeweils zwei Prozent. Er sagt jedoch: "Die Kosten sind stärker gestiegen als die Gebühren."

Die Kalkulation unsozial zu nennen, weist Kirch daher zurück: "Selbst in der ungünstigsten Fallkonstellation decken die Elternbeiträge niemals die Kosten für den eigenen Platz. Es bleibt immer ein Zuschussgeschäft der Stadt, und die Maximalzahler finanzieren nicht die Wenigzahler."

Wer unter 15 000 Euro Einkommen vorweist, wird von den Gebühren befreit, die höchste Staffel beginnt bei 52 001 Euro. Doch die Zahlen geben nicht das Haushaltseinkommen wieder, sondern das Einkommen minus Pauschalfreibeträge von 9000 Euro bei einem Kind und 12 000 Euro bei zwei Kindern. Hinzu kommen Sozialfaktoren: "In Härtefällen ist eine andere Einstufung möglich", sagt Kirch. "Das prüfen wir im Einzelfall, rund 30- bis 40-mal im Jahr. Wir gehen damit recht großzügig um." Das zweite Kind erhält zudem eine Ermäßigung von 30 Prozent, das dritte von 80 Prozent und das vierte von 100 Prozent. Seit Einführung der Staffelung 1994 habe es keinen einzigen Prozess gegen die Stadt gegeben, in die Entwicklung seien Eltern und freie Träger einbezogen gewesen.

Die Vorschläge des CDU-Politikers Michael Recha, die Maximalgrenze zu erhöhen und einen Fünf-Euro-Beitrag für Nullzahler einzuführen, bewerten die Fachleute kritisch - obwohl nach ihren Angaben 30 Prozent aller Eltern keine Gebühren bezahlen und nur fast fünf Prozent in die höchste Gruppierung fallen. Kirch: "Wenn wir die Staffelstufe ändern, sinkt die Summe des Aufkommens und wir müssten die Gebühren erhöhen." Einen Minimalbeitrag von fünf Euro einzuführen, ziehe erstens einen hohen Verwaltungsaufwand nach sich, zweitens würden die Betroffenen laut Kirch davon ohnehin wieder befreit: "Nach Paragraf 90 des Sozialgesetzbuchs VIII haben die Eltern einen Anspruch auf Kostenübernahme. Sie würde auf jeden Fall gewährt, sodass wir die Kosten entweder aus dem einen oder dem anderen Topf zahlen. Diese Diskussion hatten wir bereits 1994, sie ist ein Paradoxon."