18-Jähriger sucht psychologische Hilfe um Gewaltfolgen in den Griff zu bekommen

Lüneburg. Sonja* schießen Tränen in die Augen, wenn sie darüber nachdenkt, was schlimmstenfalls hätte passieren können. Und was wäre gewesen, wenn sie nicht zum Konzert von Jennifer Rostock gegangen wäre? Das fand am Freitag, den 9. April, in der Lüneburger "Garage" statt. "Gegen halb zwei kamen wir heraus", erinnert sich die 16-Jährige. Zusammen mit ihren Freunden Max und Anne geht sie entlang der Außenmauer der Diskothek in der Straße Auf der Hude.

Auf dem Bürgersteig stellten sich ihnen vier junge Männer in den Weg. "Die haben Stress gesucht", sagt Sonja. Denn plötzlich hält sie einer von ihnen fest. Um seiner Freundin beizustehen, geht Max auf den Unbekannten zu und schiebt ihn an der Schulter zur Seite. Er kann nicht mehr viel sagen, bevor ihn unvermittelt eine Faust ins Gesicht trifft. "Danach bekam ich zwei Schläge auf den Hinterkopf", schildert Max die letzten Sekunden, bevor er das Bewusstsein verlor.

"Beim vierten Faustschlag von vorne bin ich zu Boden gegangen." Doch damit haben die vier Täter anscheinend noch nicht genug. Aus einem unfairen Kampf entwickelt sich eine wahre Gewaltorgie. Wie im Rausch treten die Vier auf Max ein. "Wenn die statt Turnschuhen Stiefel getragen hätten, wäre ich vielleicht gestorben", sagt Max. Denn die vier Täter attackieren ihn immer wieder gezielt am Kopf.

Erst als nach etwa einer halben Minute weitere Zeugen in einem Auto vorbeikommen und anhalten, lassen die Schläger von ihrem hilflosen Opfer ab. Dass die unbeteiligten Konzertbesucher nicht weggeschaut haben, hat Max möglicherweise das Leben gerettet. Denn es strömt reichlich Blut aus einer offenen Schürfwunde an der Stirn, aus der aufgeplatzten Lippe, aus der schmerzenden Nase sowie aus dem geschwollenen rechten Auge. "Es tat weh, ihn so zu sehen", beschreibt seine Mutter den Augenblick, als sie das Krankenzimmer betrat. Um halb vier hatte sie das Telefon aus dem Tiefschlaf gerissen.

"Das war wie in einem schlechten Film." Mit großer Angst um ihr Kind macht sie sich auf den Weg ins Städtische Klinikum Lüneburg. Dort hört sie die schreckliche Diagnose: Gehirnerschütterung, Risse in Jochbein und Kiefernhöhle sowie Splitterbrüche in der Augenhöhle.

Inzwischen sind die Schwellungen abgeklungen. Am Donnerstag kam Max aus dem Krankenhaus. Einen Tag später hat der Augenarzt die Fäden gezogen. Der alte Max ist aber noch nicht wieder daheim angekommen in dem Einfamilienhaus in der Lüneburger Innenstadt. "Ich schrecke nachts schweißgebadet aus Albträumen hoch", berichtet der 18-Jährige. "Ich liege dann zusammengekauert im Bett, mit den Händen vorm Gesicht."

In den kommenden Tagen lässt sich Max bei einem Psychologen und einem Neurologen auf mögliche Langzeitfolgen untersuchen. Derzeit leidet sein Kurzzeitgedächtnis noch sehr unter dem tätlichen Angriff. Wenn sich daran nichts ändert, könnte das die Berufsplanung des Zwölftklässlers vom Schulzentrum Oedeme erheblich einschränken.

Als Konsequenz der Schreckensnacht will Max sein Freizeitverhalten ändern. "Ich gehe in Zukunft abends nicht mehr alleine aus dem Haus", sagt er. Außerdem will er besonders gefährliche Orte künftig meiden. Waffen, Pfefferspray oder ein Selbstverteidigungskurs lehnt der 65 Kilogramm schwere und 1,70 Meter große Max dagegen ab: "Ich würde immer wieder genauso reagieren, nur verbal vielleicht etwas offensiver auftreten."

Seine Mutter will jetzt einen Anwalt einschalten, um eine Entschädigung zu erstreiten. Zudem verlangt die 45-Jährige Strafe: "Die Täter sollen Folgen zu spüren bekommen und lernen, dass sie Scheiße gebaut haben, um so etwas nicht zu wiederholen."

Möglicherweise gibt es durchaus Chancen, die Täter zu erwischen. Um die Fahndung der Polizei zu unterstützen, will Sonjas Freundin Anne noch intensiver recherchieren. "Einen von ihnen habe ich nämlich wiedererkannt", sagt sie. Nach Angaben der Polizei flüchteten die Täter in Richtung der Straße Vor dem Bardowicker Tore.

Hinweise von weiteren Zeugen erbitten die Ermittler unter der Telefonnummer 04131/29 23 24.

* Die Namen der drei Opfer wurden von der Redaktion geändert.