Mit 75 Täuflingen überschritt das Interesse alle Erwartungen der Lüneburger Kirche. Austrittswelle ebbt langsam ab

Lüneburg. Die Zahl der Kirchenaustritte wird viel diskutiert. Doch in der evangelischen Kirche Lüneburg ist derzeit eher die Zahl der Täuflinge Thema. Gestern standen Stadt und Landkreis unter dem Zeichen der Taufe. Insgesamt 75 Kinder vom Säugling bis zum Zwölfjährigen wurden an diesem Tag in die Gemeinschaft mit Gott und der Kirche aufgenommen.

Das Besondere: Festgottesdienste und Taufen fanden unter freiem Himmel auf dem Gelände im Kloster Lüne, an der Ilmenau auf dem Campingplatz in Melbeck und in Schröders Garten statt. Insgesamt 16 Kirchengemeinden beteiligten sich an dem Festtag, rund 1000 Besucher waren zu den Open-Air-Tauffesten im Kirchenkreis Lüneburg erschienen.

Das Interesse an den Tauffesten war so groß, dass die Anmeldungen die Kapazitäten weit überschritten haben. "Einige Kirchengemeinden haben den Taufinteressenten daher Alternativen anbieten müssen und überlegen bereits, wann das nächste gemeinsame Fest stattfinden kann", sagt Lüneburgs Superintendentin Christine Schmid.

Anlass für die gemeinschaftlichen Feste ist das Jahr der Taufe, das der Kirchenkreis Lüneburg 2011 mit vielen Veranstaltungen und Gottesdiensten feiert. Den Erfolg des Festes erklärt Christine Schmid: "Die Idee spricht Familien an, die gern in größerer Gemeinschaft ihr Kind taufen lassen möchten. Zusammen mit vielen anderen Familien kann man erleben, wie gut es ist, zur Kirche zu gehören und seinen Kindern einen Halt für Leben zu geben."

Und sie ergänzt: "Außerdem ist es einfach toll, eine Taufe unter freiem Himmel zu erfahren - wie es auch ursprünglich bei der Taufe von Jesus war."

Generell beobachten die großen Kirchen seit längerem bei den Taufen einen Abwärtstrend. Eine Hauptursache ist der Geburtenrückgang. Der Anteil der evangelisch Getauften unter den Neugeborenen in Deutschland veränderte sich laut des Münsteraner Theologen Christian Grethlein zwischen 1960 und 2006 gleichmäßig. Im Jahr 1960 seien es Schätzungen zufolge rund 40 Prozent gewesen, 2006 noch 31 Prozent.

So lassen heute alleinerziehende evangelische Mütter ihre Kinder deutlich seltener taufen als der Durchschnitt aller evangelischen Eltern. Viele haben möglicherweise Scheu, ohne einen Partner am Taufbecken zu stehen. Auch die Kosten für Familienfeiern sind ein Hemmschuh. Andere Eltern finden schlicht keine Paten, von denen mindestens einer Mitglied einer Kirche sein muss. Zentrale Tauffeste könnten solche Hürden überwinden.

Grethlein beklagt vor allem eine inhaltliche "Entleerung" der Taufe durch die Jahrhunderte. Heute werde die Taufe oft im regulären Gottesdienst am Sonntagmorgen eingeschoben. Grethlein: "Sie schrumpft dabei nicht selten auf einen Vollzug innerhalb weniger Minuten."

Immerhin zwölf Kinder taufte gestern Dennis Schipporeit (30). Cirka 200 Briefe und Mailings hatte der Pastor der Paulusgemeinde im Vorwege an Gemeindemitglieder versandt, von denen er wusste, dass Kinder der Familien noch nicht das Sakrament der Taufe empfangen hatten. "Ich erhielt etwas 15 Antworten und zwölf Kinder wurden jetzt getauft", so Schipporeit, der zuständig für die Koordination der Tauffeste war.

Insgesamt 20 Kinder wurden mit Wasser aus der Ilmenau in Schröders Garten getauft. Darunter Täuflinge aus der Paulusgemeinde, der Kreuzkirchengemeinde und der Kirchengemeinde in Reppenstedt. Nach den Gottesdiensten konnten die Gäste gemeinsam vor Ort in gemütlicher Atmosphäre oder auch im Privaten weiterfeiern.

Den einen reichten Würstchen und Kartoffelsalat in der Kneipe, andere zogen vielleicht ein Festessen im Hotel vor. Wichtig war vor allem, ein ungewöhnliches Tauffest zu feiern.

Auf dem Campingplatz in Melbeck taufte Andreas Stolze, Pastor der St. Stephanus Gemeinde in Kaltenmoor. Neben zwei Kindern aus Kaltenmoor wurden drei Kindern aus anderen Gemeinden getauft. "Es sind überwiegend glühende Christen, die ihre Kinder aus Überzeugung taufen lassen", sagt Stolze. Und es werden bevorzugt Kinder getauft. Taufen im Erwachsenalter seinen in der evangelischen Kirche eher selten zu finden. Er schätzt ihre Zahl aktuell auf höchstens fünf Prozent.

Als erstaunlich stabil bezeichnet der 53-Jährige seine 4800 Mitgliedern zählende evangelische Gemeinde. Und Kollege Dennis Schipporeit bestätigt, dass die Zeit der massiven Kirchenaustritte vorbei sei. "Die Eintrittszahlen steigen wieder langsam", so der junge Pastor.

Mit Gottesdiensten in der Osternacht haben Gemeinden in der hannoverschen Landeskirche offiziell das Jahr der Taufe eröffnet. Bis in den September sind in den 56 Kirchenkreisen der evangelischen Landeskirche zahlreiche Freiluft-Tauffeste, Taufkurse für Erwachsene, Gottesdienste zur Tauferinnerung und weitere Aktionen geplant, um Menschen die Taufe nahe zu bringen.

Die Taufe ist das zentrale Ritual des Christentums. Sie soll zum Ausdruck bringen, dass Gott den Menschen in seinem ganzen Leben begleitet. Mit der Taufe ist die Aufnahme in die Kirche verbunden