EHEC-Epidemie: Speisereste, Schlachthofabfälle, Gülle und Mist - wie gefährlich sind die Gärsubstrate aus Biogasanlagen wirklich?

Lüneburg. Bei der Erzeugung regenerativen Energien gehört sie zu den Spitzenreitern: Die Biogasanlage. Nirgendwo in Europa werden so viele davon betrieben wie in Deutschland, denn sie verwandelt selbst Abfall noch in Energie. In der Biogasanlage werden organische Stoffe aus der Pflanzenproduktion, aber auch organischer Müll, wie Speisereste aus Großküchen oder Schlachthofabfälle, zur Gaserzeugung genutzt. Auch Gülle und Mist dürfen hinein: Bei 35 bis maximal 60 Grad Betriebstemperatur erzeugen Mikroorganismen das begehrte Biogas.

Seitdem Anfang dieser Woche das ARD-Fernsehmagazin Report einen Beitrag zu dem Thema brachte, stellt sich die Frage: Tragen die Gärreste aus Biogasanlagen, die auf die Felder aufgebracht werden, zum erhöhten Auftreten von Krankheitskeimen in Lebensmitteln bei? Aufgeschreckt hat der Fernsehbericht zur EHEC-Epidemie jedenfalls viele Verbraucher.

Bisher werden in Niedersachsen Substrate aus Biogasanlagen nicht auf ihre Keimbelastung untersucht, ebenso wenig wie andere Exkremente, die nach einer gewissen Lagerzeit aufs Feld dürfen. "Es gibt keine Untersuchungspflicht mikrobiologischer Art für Geflügelmist, Gülle, Jauche oder die Gärsubstrate aus Biogasanlagen. Es sei denn, es gibt im Einzelfall einen konkreten Verdacht. Eine solche Untersuchungspflicht ist im wirklichen Leben auch schwer vorstellbar", sagt Gert Hahne, Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums.

Gerade weil es eine Untersuchungspflicht nicht gibt, möchte die Landtagsabgeordnete Miriam Staudte (Grüne) mehr Aufklärung. "Wir appellieren an die Landesregierung, gerade jetzt Ursachenforschung in der Angelegenheit zu betreiben. Vor kurzem hatten wir Vertreter aus dem Landwirtschaftsministerium zu einer Anhörung zum Thema EHEC im Landtag zu Gast. Auch bei dieser Gelegenheit habe ich auf intensive Ursachenforschung gedrängt. Für mich ist der Zusammenhang zwischen den jüngsten Erkrankungen und der Verwendung von Fäkalien als Dünger in der Landwirtschaft relativ nahe liegend", sagt Staudte.

Auch Andrea Schröder-Ehlers, SPD-Landtagsabgeordnete für den Wahlbezirk, möchte dass das Land mehr tut. "Es ist doch die Frage, wie viel Biogas Niedersachsen eigentlich verträgt. Dabei geht es natürlich auch darum, wie mit den Gärresten verfahren werden sollte. Wir haben dazu im letzten Jahr eine Anfrage im Landtag gestellt und bleiben mit Sicherheit an dem Thema dran", sagt sie.

Grundsätzliche Einwände zum Einsatz von Tierexkrementen aus konventioneller Tierhaltung haben Biolandwirte. Der Verband Bioland e.V. untersagt in seinen Richtlinien den Einsatz von Gülle, Jauche und Geflügelmist aus konventioneller Tierhaltung als Dünger. Auch Gärreste aus Biogasanlagen, die mit Substraten aus konventioneller Landwirtschaft betrieben werden, sind bei Bioland verboten. "Es gibt bei uns hygienische Bedenken. Insgesamt liegen zu wenige Erfahrungen darüber vor, welchen Einfluss Antibiotika und Keime auf den Boden haben, wenn sie ausgebracht werden", sagt Harald Gabriel, Biolandwirt aus Visselhövede, Sprecher des Landesverbandes Bioland.

Keine Bedenken gegen die Ausbringung von ordnungsgemäß behandelten Gärresten auf die Felder hat dagegen der Verein Biogasrat e.V. in Berlin. Der Verein vertritt Unternehmen, die "die gesamte Wertschöpfungskette der Biogaswirtschaft repräsentieren", heißt es auf der Homepage. Für eine Vermehrung oder Entstehung von Krankheitserregern in Biogasanlagen gebe es keine wissenschaftlichen Beweise, so der Verein. Bei fachmännischer Handhabung gebe es in den Gärresten sogar weniger Bakterien als beispielsweise in Gülle.

Allerdings erreichen Biogasanlagen maximal eine Betriebstemperatur von 60 Grad. Der EHEC-Erreger wird dagegen erst bei 70 Grad abgetötet, sagen Fachärzte. "Unter diesem Gesichtspunkt könnte es grundsätzlich Anlagen geben, die gefährdet wären. Aber für alle Anlagen existieren Nachbehandlungen, die die Keimbelastung weiter deutlich reduzieren", sagt Hendrik Personn, wissenschaftlicher Referent beim Biogasrat in Berlin. Wenn tierische Reststoffe oder Bioabfall in einer Biogasanlage behandelt würden, sei eine Nachbehandlung gesetzlich vorgeschrieben.

Auch bei der nachträglichen Lagerung zur Ausgasung der Gärresten verschwänden etliche Keime: "Ich halte das Risiko einer Verkeimung der Böden, die mit Gärresten in Kontakt kommen, für minimal", sagt Personn.