Neugrabener Kleingärtner bauen Salat, Paprika und Zucchini selbst an

Neugraben. Herbert Nikolaiewski,89, hält sich in Sachen EHEC-Epidemie auf dem laufenden. "Hab ich im Fernsehen gesehen", sagt er. Nun kauft er kein Gemüse mehr. Muss er auch nicht. Denn auf seiner 350 Quadratmeter großen Parzelle im Kleingartenverein Neugrabener Moor wird jedes Fleckchen Erde für den Gemüse- und Obstanbau genutzt.

15 große Tomatenpflanzen hat er in seinem Gewächshaus gesetzt, weitere Büsche mit kleinen grünen Tomaten stehen in seiner Laube. "Es ist unterschiedlich, wie viele ich ernte. Ein Busch trägt nur fünf, andere bis zu 30 Stück", sagt er und zeigt dann auf seine Paprika-Pflanzen, die seine Nachbarin Julia Ladegan, 58, in ein Foliengewächshaus setzt. "Dieses Jahr treiben sie gut aus, ich hoffe, das wird was." Mit den Kirschen ist er nicht zufrieden. "Es gab vor ein paar Wochen mal drei Tage Frost am Stück. Das ist ihnen nicht bekommen."

Nikolaiewski muss sich außerdem um Weinstöcke, Radieschen, unzählige Erdbeeren im Hochbeet und in Kübeln kümmern, um Rhabarber und um Kartoffeln. Rote Johannisbeeren, die an Büschen reifen, laden zum Naschen ein. "Ja, wenn es noch schlimmer kommt, kann ich mich hier selbst versorgen und meine Nachbarin gleich mit."

Seit 15 Jahren werkelt der 89-Jährige in seinem kleinen Paradies herum. Er ist in Sibirien geboren und es gewohnt, selbst Gemüse zu ziehen, "um sich notwenige Vitamine zu sichern", sagt er. Noch vor wenigen Wochen wurde er von seinen Nachbarn belächelt. "Wer heutzutage auf seiner Parzelle noch einen Gemüsegarten anlegt und mühevoll Salat, Bohnen, Gurken und Tomaten anbaut, ist ungewöhnlich. Die meisten wollen meist nur Blumen und Rasen", sagt der Rentner. Viele sagten dem Kleingärtner, dass es das Grünzeug im Supermarkt doch viel billiger und vor allem ohne Arbeit gibt.

"Jetzt sind sie fast ein wenig neidisch, denn hier gibt es die Möglichkeit, frischen Salat anzubauen, der auf jeden Fall nicht mit EHEC-Keimen verseucht ist", sagt Julia Ladegan, 58. Auch sie stammt aus Sibirien, schätzt ebenfalls ihren kleinen Garten. Ganz so viel Gemüse, wie ihr Nachbar baut sie nicht an, aber es reicht für einige Zucchini, Kräuter und Kartoffeln. Ihr ganzer Stolz sind die zwei Bienenvölker, die sie sich zugelegt hat.

191 Mitglieder hat der Kleingartenverein Neugrabener Moor. 85 Laubenbesitzer sind ausländischer Herkunft, meist Aussiedler aus den ehemaligen GUS-Staaten, wie Nikolaiewski und Ladegan. Sie haben meist mehr Erfahrung mit der Gemüsepflanzenanzucht. Doch vor dem Hintergrund von EHEC und den Folgen haben sich nun auch Heike, 71, und Peter, 72, Kröger, deren Parzelle sich einige Meter weiter von den Kleingärten von Ladegan und Nikolaiewski befindet, für die Ausweitung ihrer Gemüsebeete entschieden. "Wir essen gerne Salat und wollen nicht darauf verzichten. Aber wir haben Angst, dass an frischer Ware aus dem Supermarkt EHEC-Bakterien kleben", sagt Heike Kröger.

Deshalb ziehen die beiden nun zum ersten Mal seit 28 Jahren - solange haben sie schon ihre lauschige Gartenlaube - Lollo bianco Salat und Spinat. Der Schrebergarten wird zur Keimzelle der Selbstversorgung. "Wir haben die jungen Pflanzen auf dem Wochenmarkt in Neu Wulmstorf gekauft. Sie wachsen gut an und schmecken", sagt der 71-Jährige. Gedüngt wird mit angesetztem Kompost aus Pflanzenresten. Auf dem einen Behälter rankt eine üppige Zucchini-Pflanze. "Die ersten Zucchini haben wir gerade am Sonntag gegessen, lecker." Außerdem bauen sie auch Rote Bete, Zwiebeln und Stangenbohnen, Marke "Neckarkönigin" an. "Wer weiß, wann wieder offiziell Entwarnung gegeben wird", so Kröger, der die Tomatenpflanzen wässert. "Das sind aromatische Cocktailtomaten."

Dass selbst ein kleiner Gemüsegarten viel Arbeit macht, stört die beiden nicht. Sie sind es gewohnt, anzupacken, haben ihre Laube selbst gebaut und ihren kleinen Teich liebevoll angelegt. "Es macht Spaß, das eigene Gemüse wachsen zu sehen", sagt Heike Kröger.

Nikolaiewski und Julia Ladegan haben unterdessen die Paprika-Pflanzen in die Erde gebracht. Als Belohnung gibt es einen ganz besonderen Tropfen. Denn der 89-Jährige keltert eigenen Wein aus den Trauben von seinen Weinstöcken. "Garantiert nicht gepanscht", sagt er lächelnd.