Die Anne-Frank-Grundschule will islamische Religion unterrichten. Bundesweit soll das Angebot ab 2012 gelten

Lüneburg. Die Anne-Frank-Grundschule in Kaltenmoor ist keine ganz gewöhnliche Schule. An der größten Grundschule im Lüneburger Stadtgebiet werden 356 Mädchen und Jungen unterrichtet, es besteht eine Kooperation mit den Senior Partners in School, das sind engagierte Frauen und Männer, die mit ihrer Lebenserfahrung und Zeit helfen, Konflikte auf dem Schulhof zu lösen. Außerdem gibt es verschiedene Nachmittagsangebote, wie eine Russisch-AG, eine Theatergruppe oder Mädchenfußball.

Und ab kommenden Schuljahr soll ein weiteres, in Lüneburg einmaliges Angebot hinzukommen: islamischer Religionsunterricht. Dafür möchte die Schule an einem Schulversuch teilnehmen, der seit 2003 in fünf Bundesländern, darunter in Niedersachsen, läuft. "29 Prozent unsere Schülerinnen und Schüler haben einen muslimischen Hintergrund. Das sind 105 Kinder, für die es, im Gegensatz zu den katholischen und evangelischen Kindern bislang kein Angebot im Fach Religion gibt" sagt Daniela Tiesing-Neben, Leiterin der Anne Frank Schule, die das Konzept für das neue Unterrichtsfach den Mitgliedern des Schulausschusses am Dienstag vorstellte.

Derzeit werde in den ersten und zweiten Klassen ökumenischer Religionsunterricht angeboten, für die Klassen drei und vier evangelischer Religionsunterricht. Das Angebot sei jedoch freiwillig, Eltern können ihre Kinder von dem Unterricht abmelden. In der Praxis sieht das so aus: auch die Kinder, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sitzen mit im Klassenraum und arbeiteten an ihren Aufgaben in anderen Fächern oder beschäftigen sich still. Für ihre Betreuung abseits der Klasse sind derzeit keine Lehrerstunden vorgesehen.

Eltern muslimischen Glaubens hätten Unterschriften gesammelt und wären an die Schulleitung herangetreten mit der Bitte, ihren Kindern ein dem evangelischen Religionsunterricht vergleichbares Bildungsangebot zu machen, sagte Daniela Tiesing-Neben im Ausschuss. Zudem hätten die Erfahrungen der Schulen, in dem der islamische Religionsunterricht angeboten werde, sie und ihr Kollegium überzeugt. "Der Schulversuch wird wissenschaftlich begleitet und die Forscher haben festgestellt, dass das Angebot Schülern und Eltern hilft, eine offene Grundhaltung gegenüber der eigenen und anderen Religionen einnehmen. Gleichzeitig wird die eigene kulturelle und religiöse Identität gestärkt."

Damit der islamische Religionsunterricht eingeführt werden kann, muss beim Kultusministerium in Hannover ein Antrag eingereicht werden, der sowohl von Schulvorstand und Gesamtkonferenz der Schule, als auch vom Schulträger, also der Stadt, unterstützt wird. Die Zustimmung aus der Schule sei groß, sagte Daniela Tiesing-Neben. Der Schulvorstand habe sich einstimmig für die Teilnahme an dem Schulversuch ausgesprochen.

Diskutiert wurde die konkrete Ausgestaltung des Unterrichts. Es handle sich nicht um Koranunterricht, sondern um ein Angebot für Kinder von der ersten bis zur vierten Klasse, dass den maßgeblichen Gremien der muslimischen Verbände vorgestellt wurde, aber ganz klar den Erfordernissen des Niedersächsischen Schulrechts entspreche, stellte die Pädagogin klar.

"Natürlich wird der Unterricht in deutscher Sprache stattfinden und nach einem Lehrplan, der dem Niedersächsischen Landesschulgesetz entspricht", sagt Peter Pfeffer, Dezernent der Niedersächsischen Landesschulbehörde. Seine Aufgabe wird es sein, eine geeignete Lehrkraft für das neue Fach zu finden. Da es derzeit noch keine speziell ausgebildeten Lehrkräfte gibt, kommen in Niedersachsen Pädagogen zum Einsatz, die selbst an den Islam glauben und eine der Herkunftssprachen sprechen. Islamisch-theologische Zusatzausbildungen seien wünschenswert.

"Bislang stehe ich noch mit leeren Händen da", sagte Pfeffer. Und dass er den Antrag nur unterstützen werde, wenn er sicherstellen könne, dass der Unterricht auch stattfinden kann. Gerhard Scharf (CDU) sieht in dem Versuch einen guten Weg, um Ängste abzubauen - wenn das Angebot angenommen werde. Sie rechne mit einer großen Zustimmung bei den Eltern, gab sich Daniela Tiesing-Neben zuversichtlich.

Ab 2012 soll islamischer Religionsunterricht bundesweit flächendeckend eingeführt werden. Ob bis dahin allerdings genügend speziell ausgebildete Lehrer bereit stehen werden, ist nur eine der offenen Fragen.