Es gibt Ärger um die Eingemeindungspläne. Die Umlandgemeinden wollen ihre Siedlungspolitik nicht mehr mit Lüneburg abstimmen.

Lüneburg. Heute Abend wird der Lüneburger Rat beschließen, dass die Hansestadt ihre Siedlungsentwicklung künftig eng mit der Samtgemeinde Bardowick abstimmen wird. An der entsprechenden Vereinbarung hatten im vergangenen Jahr auch Vertreter aus Gellersen, Adendorf und Scharnebeck mitgearbeitet. Doch seit der Diskussion um mögliche Eingemeindungen Lüneburgs wollen die von dem Papier nichts mehr wissen.

Mehrfach hatten sich die Hauptverwaltungsbeamten im Frühjahr vergangenen Jahres zusammengesetzt und gemeinsam ein entsprechendes Papier entwickelt. Die Kommunen "sehen ihre gemeinsame Verantwortung für die weitere Entwicklung des Raumes Lüneburg-Nordwest", heißt es in der Präambel. "Daher wollen sie künftig ihr Siedlungswachstum in engerer Zusammenarbeit abstimmen. So sollen Konflikte und Auswirkungen auf die jeweiligen Nachbargemeinden, ebenso wie Konsequenzen für die vorhandene Infrastruktur, transparenter werden." Doch jetzt winken Josef Röttgers (parteilos, Gellersen), Karl Tödter (parteilos, Scharnebeck) und Joachim Pritzlaff (SPD, Adendorf) ab.

Gegenüber der Rundschau sagte Joachim Pritzlaff klipp und klar: "Solange der Eingemeindungswunsch Lüneburgs nach Adendorf weiter diskutiert wird, werde ich dem Rat das Thema nicht vorlegen." Weitere Erklärungen wolle er dazu nicht abgegeben: "Das Thema Lüneburg-Adendorf ist für uns auf mittlere Sicht erledigt."

Vorsichtiger formulierte Gellersens Samtgemeindebürgermeister Josef Röttgers: "Die Vereinbarung war Thema einer Ratssitzung, und die Samtgemeinde sieht keinen akuten und aktuellen Handlungsbedarf. Die bisher bestehenden Mechanismen werden als ausreichend angesehen." Für eine weitergehende Regelung als die durch das Baurecht vorgeschriebene frühzeitige Beteiligung der Behörden gebe es laut Ratsmehrheit keine Notwendigkeit. Die Tür aber stehe weiterhin offen, sagte Röttgers. Vielleicht werde das Thema zu einem späteren Zeitpunkt anders eingeschätzt.

Doch verhehlen kann auch Röttgers die durch die jüngste Vergangenheit entstandenen Empfindlichkeiten nicht: So hat die Klage der Stadt gegen die von Reppenstedt geplante Ortskernentlastungsstraße das Verhältnis belastet, und während der Ratssitzung erinnerte der Abgeordnete Peter Bergen (CDU) an Konfrontationen mit der Stadt bei der Planung des Einkaufszentrums Wiesenweg. Die Vorteile für die Samtgemeinde fehlten, sagte Bergen.

Scharnebecks Samtgemeindebürgermeister Karl Tödter nannte gegenüber der Rundschau ähnliche Gründe für das Nein zur Vereinbarung: "Der Nutzen erschließt sich derzeit nicht." Die Samtgemeinde grenze nicht direkt ans Lüneburger Stadtgebiet, und die Politik sehe die Vereinbarung als "Einschränkung der Planungshoheit gegenüber der Stadt". Aufgeschreckt seien die Kommunen durch das sogenannte Hesse-Gutachten, gesunde Gemeinden hätten Angst vor einer Eingemeindung. Zurzeit herrsche "kein gutes Klima für solche Gespräche", sagt Tödter, der Stachel solle "nicht noch tiefer ins Fleisch gedrückt werden". Positiv sähe der Samtgemeindebürgermeister zwar die Gespräche über ÖPNV und Wachstumsbegrenzung. Aber: "Ulrich Mädge ist ein durchsetzungsstarker OB, der sich sehr für die Interessen der Stadt einsetzt", deutet Tödter Ängste auf dem Land an. Er sehe derzeit keine Chance, die Ortsbürgermeister von der Vereinbarung zu überzeugen.

Den Rückzieher der Kollegen kann Bardowicks Samtgemeindebürgermeister Günter Dubber (parteilos) nicht verstehen: "Es ist einigermaßen überraschend und sehr enttäuschend, dass sich andere Gemeinden zurückgezogen haben", sagte Dubber der Rundschau. Es herrsche große Einigkeit zwischen den Mitgliedsgemeinden und im Rat der Samtgemeinde, dass eine Einigung notwendig sei: "Es ist fatal, wenn man einen solchen Interessenausgleich nicht stattfinden lässt und ohne Rücksicht auf seine Nachbarkommunen plant. Kirchturmpolitik ist überholt." Die Vereinbarung sei "lange überfällig" und - bezogen auf die Debatte um das Hesse-Gutachten und das Ansinnen von Lüneburgs Oberbürgermeister Mädge, das Gebiet der Hansestadt zu vergrößern - "kein Stück Eingemeindung". Er sei der festen Überzeugung, dass die Vereinbarung die Stellung Bardowicks nicht schwäche. Lüneburg und Bardowick hätten regelmäßig "überlappende Interessen", die bereits seit 15 Jahren bestehende Vereinbarung zwischen dem Flecken und der Hansestadt sei stets positiv gelebt worden.

In den vom Baugesetz vorgeschriebenen Verfahrensabläufen würden die Nachbargemeinden bei Planungsvorhaben zu spät beteiligt, sagte Dubber: "Das ist ein großes Problem. Wir leben in einem gemeinsamen urbanen Siedlungsfeld, jedes größere Vorhaben ruft Veränderungen beim Nachbarn hervor. Wir stehen und fallen als Region." Er werde keine Gelegenheit auslassen, weiter für die Vereinbarung zu werben.

Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) zeigte sich gegenüber der Rundschau "verwundert" über den Sinneswandel in der Nachbarschaft. "Gerade diese drei Bürgermeister sind es, auf deren Initiative die Vereinbarung gemeinsam mit Günter Dubber angeschoben wurde", sagte Mädge. "Wir haben verhandelt und uns einvernehmlich auf ein Papier geeinigt." Die Vereinbarung hätte "geholfen, die starren Vorgaben des Regionalen Raumordnungsprogramms ein wenig zu öffnen". Nun gelte weiterhin das RROP: "Und das ist wesentlich restriktiver."