Norddeutsche IHK kritisiert die Geschäftspolitik der Kommunen. Sie verzerre den Wettbewerb auf dem freien Markt

Lüneburg. Die Kurzentrum- und Kurmittel GmbH, die AGL und die Wirtschaftsförderung, die Gesundheitsholding und die Stadtmarketing GmbH - das sind nur einige der Gesellschaften, die die Stadt Lüneburg teilweise gemeinsam mit dem Landkreis betreibt. Demnächst soll noch eine Solar-GmbH hinzukommen.

Zu viel Einmischung in die Privatwirtschaft sieht Frank Hesse vom Verband der Niedersächsischen Industrie- und Handelskammern in Osnabrück (NIHK) im Geschäftsverhalten der Kommunen. "Trotz Finanzkrise und Überschuldung der Kommunen stellen wir einen Trend zur vermehrten Betätigung in privaten Geschäftsfeldern fest. Das verzerrt den Wettbewerb. Schließlich tragen die Städte und Gemeinden ein geringeres unternehmerisches Risiko als Private", sagt er. Abgesichert durch die Steuern und Gebühreneinnahmen haben Städte und Gemeinden es leichter, das Risiko ihrer Betätigung als Unternehmer auf dem freien Markt abzufedern.

Hesse schlägt vor, den Gemeinden im neuen Kommunalverfassungsgesetz des Landes Niedersachsen, das derzeit in Hannover beraten wird, die wirtschaftliche Betätigung zu erschweren. "Nicht alles, was da stattfindet, hat etwas mit den Kernaufgaben einer Gemeinde zu tun. Da werden beispielsweise Ferienreisen mit den Fahrzeugen der städtischen Verkehrsbetriebe angeboten, das ist bestimmt keine notwendige Daseinsvorsorge für die Bürger", sagt Hesse.

In Lüneburg soll als nächste städtische Gründung die Solar-GmbH an den Start gehen. Damit werden neue Möglichkeiten zur Erzeugung von Solarenergie eröffnet: Bisher ungenutzte Flächen auf städtischen und privaten Dächern der Stadt sollen für neue Solaranlagen verfügbar gemacht werden. "Wir werden sorgfältig prüfen, ob es sich lohnt und erst einmal ein Gesamtkonzept erstellen", sagte dazu Stadtkämmerin Gabriele Lukoschek dem Stadtrat. Der stimmte dem Vorschlag mit großer Mehrheit zu.

Keine Gemengelage zwischen privaten und öffentlichen Interessen sieht darin Peter Luths (CDU), Mitglied des Stadtrats und Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung (MIT) seiner Partei. "Es gibt natürlich eine große Grauzone. Auf dem Gebiet muss man wachsam sein, damit man nicht in Bereiche vordringt, der den Privaten vorbehalten sein sollte. Probleme sehe ich beispielsweise, wenn ein Dorfgemeinschaftshaus Gastronomie für Festlichkeiten und Veranstaltungen anbietet: Damit gräbt man den Gastronomen auf dem Land das Wasser ab", sagt Luths.

Im Fall der geplanten Solar-GmbH sieht er aber keine Schwierigkeiten. "Ich würde mich sehr freuen, wenn ein privater Anbieter diese Leistung übernehmen würde. Aber so weit ich sehe, existiert der bisher in der Region Lüneburg nicht", so Luths.

Zurückgewiesen hat die Kritik der NIHK inzwischen der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund in Hannover. "Die Kommunen sind die größten Auftraggeber des Mittelstandes vor Ort. Sie sind vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge tätig. Es erscheint doch sehr fraglich, ob ein Rückzug aus diesen Aufgaben für die Bürger und Kommunen vernünftig wäre und ob die regionale Wirtschaft davon profitieren würde", sagt Rainer Timmermann, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes.

Timmermann verweist auf das Beispiel der Stadtwerke: Bei den Energieerzeugern habe der Rückzug vieler Kommunen gerade dazu geführt, dass ein mangelhafter Wettbewerb auf dem Markt herrscht - er werde nachweislich von wenigen privaten Monopolanbietern dominiert.

In Sachen Stadtwerke hatte sich der Rat der Stadt in Lüneburg allerdings gerade gegen einen Wiedereinstieg in das Geschäft mit Gas und Strom entschieden. Während die Linken im Stadtrat vehement für die Gründung eigener Stadtwerke kämpften, hielten alle andere Fraktionen genauso entschieden dagegen. Zu riskant sei der Wiedereinstieg in diesen Geschäftsbereich, befand der Rat. "Wir haben uns auf andere Aufgaben konzentriert, darauf sollten wir uns derzeit beschränken", sagte Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD).