Fraktionen freuen sich über kürzeste Tagesordnung seit Jahren . Linke fordert Änderung der Geschäftsordnung

Lüneburg. Keine einzige neue Anfrage an die Verwaltung und keinen einzigen neuen Antrag wies die Tagesordnung des Stadtrats bis gestern aus. Das hat es zum letzten Mal im März 2009 gegeben. Damit hat das Lüneburger Gremium nächste Woche die Chance, seinen Bearbeitungsstau von Anfragen und Anträgen aufzulösen.

Je nach Anzahl der Abgeordneten haben die Fraktionen pro Antrag acht, zwölf oder 21 Minuten Redezeit, hinzu kommen jeweils fünf Minuten für die Begründung des Antrags. Das Kontingent haben die Kommunalpolitiker in der Vergangenheit in aller Regel ausgereizt.

Die Folge: Die Tagesordnung wurde immer länger, die Liste der nicht behandelten Punkte auch. Denn während der Lüneburger Kreistag so lange debattiert, bis alle Themen des Tages abgearbeitet sind, gibt sich der Rat der Stadt für Anfragen und Anträge laut selbst verfasster Geschäftsordnung lediglich zwei Stunden Zeit. Was in den 120 Minuten nicht erörtert wird, wird auf die nächste Sitzung verschoben.

Im Unterschied zum Kreistag diskutieren die städtischen Kommunalpolitiker aber auch über die Antworten der Verwaltung auf Anfragen - wenn der Initiator eine Aussprache beantragt und die Mehrheit dafür stimmt. Das ist im Kreistag nicht möglich, dort dürfen nur Verständnisfragen gestellt werden.

Während der vergangenen Sitzungstermine hatten Geschäftsordnung und Debattierwunsch im Stadtrat zur Folge, das in aller Regel kein neues, das heißt für die jeweilige Sitzung von der Politik aktuell gesetztes Thema diskutiert wurde, sondern stets nur die aus vorherigen Zusammenkünften übrig gebliebenen. Kritik hatte das zuletzt nicht nur bei Beobachtern ausgelöst, sondern auch bei den Ratsmitgliedern selbst. Vertreter aller Fraktionen hatten vor zwei Monaten den Linken vorgeworfen, sie würden wiederholt Anfragen und Anträge zu Themen stellen, die bereits entschieden worden seien. Das stehle dem Rat unnötig Zeit.

Malte Riechey, Fraktionsvorsitzender der Linken, verwahrt sich gegen die Kritik: "Wir hatten unsere Anträge und Anfragen extrem frühzeitig gestellt. Dass sie nicht rechtzeitig behandelt wurden, liegt nicht an uns, sondern an der Geschäftsordnung. Es ist schizophren, was man uns vorwirft."

Er fordert daher eine Änderung der Geschäftsordnung des Rats: "Alle Themen sollten abgearbeitet werden. Die Sitzungen könnten bereits um 15 Uhr beginnen. Das geht im Kreistag und bei Ausschüssen auch, die meisten Mitglieder sind ohnehin nicht berufstätig."

Dass er für die nächste Sitzung keine neuen Punkte eingereicht hat, liege nicht an der Kritik der Fraktionen, sondern daran, dass er zunächst die von ihm angeforderten schriftlichen Antworten der Verwaltung abwarten wolle. Riechey vermutet, durch "langatmige mündliche Antworten der Verwaltung" solle "die Zeit totgeschlagen werden, um unliebsame politische Anträge zu unterbinden".

Heiko Dörbaum, Sprecher der Gruppe aus SPD und CDU, sieht den Rat mit der nächsten kurzen Tagesordnung auf dem "richtigen Weg, zur wirklich wichtigen politischen Ratsarbeit zurückzukehren". Zwei wichtige Themen stünden an: Universität und Atomenergie. Für das Thema Leuphana bereite er zurzeit einen Änderungsantrag vor im Sinne eines Bekenntnisses zur Hochschule und ihren Entwicklungen.

In Sachen Atomenergie konnte sich die SPD nicht mit der CDU auf einen gemeinsamen Antrag einigen und legt daher einen eigenen vor. Dörbaum: "Wir wollen ja nicht die demokratische Diskussion unterbinden. Aber sie soll nach vorne und nicht rückwärtsgewandt sein." Grünen-Chef Andreas Meihsies lobt ebenfalls die "gute Entwicklung", seit Jahren habe es keine so kurze Tagesordnung gegeben: "Wir kommen jetzt zügig voran."