Zwei Männer saßen jahrelang zu unrecht im Gefängnis. Der eine fünf Jahre und fünf Monate, der andere drei Jahre und acht Monate.

Weil ein junges Mädchen ihnen vor neun Jahren ganz offensichtlich falsche Vorwürfe gemacht hat. Und weil ein Gericht vor sechs Jahren offensichtlich eine falsche Entscheidung getroffen hat. Die Tragik ist kaum vorstellbar, die den Männern widerfahren ist: Selbst beeinflussen konnten sie den Lauf ihres Lebens nur bis zum 15. Mai 2001. Bis Jennifer W. sie anzeigte.

Auch wenn die Lüneburger Richter sagen, sie könnten nicht ausschließen, dass etwas passiert ist: Es deutet dennoch vieles darauf hin, dass ihren Kollegen in Hannover vor sechs Jahren fatale Fehler unterlaufen sind. So hat der Vorsitzende in Lüneburg zu Recht auch die Justiz als einen Verlierer des Prozesses bezeichnet. Seine Warnung darf daher nicht ungehört verhallen: Das Risiko, Dinge vor Gericht falsch zu beurteilen, sei sehr groß. Und selbst die Sachkunde von Gutachtern dürfe niemals unkritisch übernommen werden.

Und auch die Worte des Rechtsanwalts Jes Meyer-Lohkamp sollten seinen Kollegen im Ohr bleiben: Anwälte müssen auch ihren Mandanten gegenüber kritisch sein - und stets eine professionelle Distanz zu ihnen bewahren.

Wenn die Vorwürfe Jennifers wirklich haltlos sind, wenn die jetzt freigesprochenen Angeklagten wirklich unschuldig sind, dann ist das nicht nur ein Justiz-Skandal, sondern auch ein kaum nachvollziehbares Beispiel für die manipulative Kraft offensichtlich psychisch erkrankter junger Frauen im Themenkomplex sexueller Missbrauch. Und ein Beispiel dafür, wie ungeheuer schwierig Aussage-gegen-Aussage-Verfahren zu beurteilen sind - und wie viel Macht Sachverständige dabei haben. Dieses Urteil muss Juristen und Sachverständige einmal mehr nachdenklich stimmen.