Regionale Wirtschaft nennt konjunkturelle Schwankungen als Grund. Gewerkschaftsbund kritisiert niedrige Löhne

Lüneburg. Bei Neueinstellungen setzen Unternehmen vermehrt auf Zeitarbeit. Für mehr als jede dritte neue Stelle suchten die Betriebe nach Daten der Bundesagentur für Arbeit im Juni einen Leiharbeiter. Danach haben sich die neuen Jobangebote von Leiharbeitsfirmen seit Jahresanfang mehr als verdoppelt, während die Zahl der übrigen Stellen um ein gutes Drittel zulegte. Susanne Knuth, Sprecherin der Arbeitsagentur in Lüneburg, sagt: "Auch bei uns in der Region spielt Zeitarbeit eine große Rolle."

So seien aktuell im Juli von den 2059 gemeldeten Stellen 778 von Zeitarbeitsfirmen gekommen. "Wir haben einen Zugang von 318 neuen Leiharbeitsstellen. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 72 Prozent", sagt sie. Knuth macht deutlich, dass nicht mehr wie früher nur ungelernte Produktionshilfen für die Leiharbeit gesucht würden, sondern auch viele gut ausgebildete Arbeitnehmer. Vor allem in Branchen, die konjunkturellen Schwankungen unterworfen seien, arbeiteten Betriebe mit Zeitarbeitsfirmen gerne zusammen, weil sie ihren Worten zufolge gutes Personal haben.

Zurzeit würden bei der Lüneburger Arbeitsagentur Speditionskaufleute und Disponenten, Einzelhandelskaufleute, Rechtsanwaltsgehilfinnen, Vertriebskaufleute, Maler und Lackierer mit Gesellenbrief, Krankenschwestern, Stapler- und Berufskraftfahrer als Leiharbeiter nachgefragt, sagt Knuth. Der große Anstieg bei der Nachfrage von Zeitarbeitskräften sei ein Resultat aus der Wirtschaftskrise der vergangenen beiden Jahre. Knuth: "Zeitarbeitsfirmen waren die ersten, die entlassen, aber auch die ersten, die wieder eingestellt haben, nachdem die Konjunktur angezogen hatte."

Bernd Wiechel, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Lüneburg-Nordostniedersachen, sieht zwei Gründe für die höhere Nachfrage nach Leiharbeitern. Zum einen wüssten Unternehmen noch nicht, wie lange der derzeitige wirtschaftliche Aufschwung anhält. "Deshalb decken sie den Mehrbedarf mit Zeitarbeit ab", sagt er. Zum anderen seien Leiharbeit und befristete Arbeitsverträge ein von fast allen politischen Parteien gewolltes Instrument auf dem Arbeitsmarkt als Ausgleich für das ihm zufolge restriktive Kündigungsschutzgesetz in Deutschland.

Wiechel glaubt, dass die große Nachfrage nach Leiharbeitern nur eine Phase ist, die nicht von Dauer sei. "Der demografische Wandel stellt enorme Anforderungen. Schon jetzt suchen Unternehmen hoch qualifizierte Arbeitnehmer. Und die Nachfrage wird steigen. Doch diese Kräfte sind mit Zeitarbeit und befristeten Verträgen nicht zu bekommen." Er räumt aber auch ein, dass bei einfachen Tätigkeiten, die keine Ausbildung voraussetzten, die befristete Anstellung bleiben werde. Hartwig Erb, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Nord-Ost-Niedersachsen in Lüneburg, sagt: "Die große Zahl der Leiharbeiter ist schlecht für die Volkswirtschaft." Die Misere der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung habe damit zu tun. Erb: "Die Zeitarbeit ist nicht das Teufelswerk, sondern die damit verbundenen niedrigen Einkommen, die die Einnahmen der Sozialsysteme mindern."

Nach wie vor verdienten Leiharbeiter im Schnitt 40 Prozent weniger als Festangestellte, so der regionale DGB-Vorsitzende. Deshalb halte der DGB auch an seiner Forderung "Gleiches Geld für gleiche Arbeit" fest. Auch wenn Zeitarbeit vielen Menschen eine neue Chance auf dem Arbeitsmarkt biete, so überzögen die deutschen Unternehmen. "Die Wirtschaft hält nicht Maß. Sie beginnt, den Großteil der Beschäftigung auf Leiharbeit umzustellen."