Interview mit Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge zur gewünschten Kreisfreiheit der Hansestadt im Jahr 2016

Lüneburg. Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) will die Hansestadt vom Landkreis abkoppeln. Der Kreis sollte mit Harburg fusionieren, von Uelzen und Lüchow-Dannenberg aber die Finger lassen, sagt er im Gespräch mit der Lüneburger Rundschau. Ein Gutachten zur Kommunalstruktur belegt: Die Kreisfreiheit wäre möglich.

Lüneburger Rundschau:

Herr Mädge, Sie wollen Lüneburg zur kreisfreien Stadt machen, das haben Sie in jüngster Vergangenheit bei verschiedensten Anlässen geäußert. Warum?

Ulrich Mädge:

Zunächst einmal für das Selbstwertgefühl einer alten Hansestadt. Wir haben 1974 gegen unseren Willen die Kreisfreiheit verloren, um den Landkreis Lüneburg zu erhalten. Außerdem ist es ungesund, wenn ein Kreis ein zu großes Oberzentrum hat, da entstehen Unwuchten.

Welche wirtschaftlichen Gründe hat Ihr Plan?

Wir leiden an der zu hohen Kreisumlage: 54,5 Prozentpunkte. Wir siedeln auf unsere Kosten Gewerbe an und behalten von den Mehreinnahmen an Gewerbesteuer nur ein Drittel selbst. Den Rest führen wir an Kreis und Bund ab. Strukturschwäche gibt es auch im Landkreis Lüneburg, und das Oberzentrum muss das alimentieren.

Welche finanziellen Folgen hätte die Abkoppelung vom Kreis konkret?

Lüneburg würde die Kreisumlage sparen. Und mit 35 bis 36 Millionen Euro kann man eine Menge machen.

Dafür müsste die Stadt einige Aufgaben, die jetzt der Kreis übernimmt, selbst übernehmen.

Das stimmt. Wir bekämen unter anderem Veterinär- und Gesundheitsamt dazu sowie die Untere Naturschutzbehörde. Wir wären zudem voll für die Schulen zuständig, müssten theoretisch eigene Berufsschulen bauen. Aber all das würde ich über Kooperationen, also interkommunale Zusammenarbeit regeln, die ja schon heute in vielen Bereichen gut funktioniert. Insgesamt würden die Personalkosten sinken.

Welche verwaltungstechnischen Folgen hätte die Kreisfreiheit?

Es gäbe klare Zuständigkeiten, ein Lüneburg-Vertrag wäre nicht mehr notwendig.

Was würde Lüneburg Ihren Berechnungen nach unterm Strich sparen?

Einen mittleren siebenstelligen Betrag. Den würden wir übrig behalten, wenn wir die Einsparungen bei Kreisumlage sowie Sozialleistungen gegen die Kosten für zusätzliche Aufgaben rechnen. Das ist ein Mehrwert, den wir in die Stadt investieren könnten, ein klarer wirtschaftlicher Vorteil.

Landrat Manfred Nahrstedt würde gerne mit Harburg fusionieren. Was halten Sie davon, solange Lüneburg noch zum Landkreis gehört?

Das wäre eine Option. Die Kreisumlage würde sinken, es gäbe viele Synergien. Der Nachteil wären weniger Sitze für die Stadt im Kreistag. Für die Harburger wäre der Nachteil, dass die Kreisverwaltung im Oberzentrum Lüneburg sitzen würde.

Welche Chancen hätte ein Kreis gemeinsam mit Uelzen und Lüchow-Dannenberg?

Der hätte keine Lebensfähigkeit, keine Zukunft. Das Problem ist die dünn besiedelte Fläche. Aber auch der Landkreis Lüneburg allein - ohne die Hansestadt - wäre nicht mehr lebensfähig. Optimal wäre eine Fusion mit Harburg. Wenn Harburg nicht will, muss irgendwann das Land entscheiden.

Für eine Kreisfreiheit bräuchte Lüneburg 130 000 bis 150 000 Einwohner, das geht nicht ohne Eingemeindungen. In den 1970er-Jahren wurde schon einmal der Vorstoß unternommen, Gemeinden wie Adendorf und Reppenstedt der Stadt zuzuschlagen. Das führte zu großen Protesten von Bürgern und Bürgermeistern, auch die Bleckeder haben sich jüngst gegen eine Fusion mit Dahlenburg gewehrt. Warum sollten die Betroffenen das heute anders sehen?

Die Welt wird heute globaler wahrgenommen. Wenn Reppenstedter und Adendorfer heute sagen, wo sie wohnen, sagen sie: Lüneburg. Auch ihre Dienstleistungen nehmen sie hier in Anspruch. Für die Bürger würde sich nichts ändern: Die Verwaltung der Hansestadt hätte Außenstellen in jeder Gemeinde. Es ist jetzt die Aufgabe von Politik, die Chance der Reform zu erkennen und der Bürgerschaft zu erläutern.

Dafür müsste sich die Politik erst einmal einig sein.

Daher war es klug, dass Innenminister Uwe Schünemann jetzt gesagt hat: Ihr habt drei Jahre Zeit, dann werde ich etwas tun. Die Diskussion muss jetzt in die Ortsräte, die im Übrigen in der neuen Niedersächsischen Gemeindeordnung gestärkt werden.

Ihre Amtszeit geht noch bis 2014. Werden Sie Lüneburg noch als Oberbürgermeister kreisfrei erleben?

Wenn ich wiedergewählt werde, ja. Realistisch ist der 1. November 2016, nach der Kommunalwahl. Die Kunst wird jetzt sein, das Thema nicht vor der Wahl zu zerschlagen. In den Siebzigern wurde es politisch verhindert. Den Fehler sollte man nicht noch einmal machen.