Eine Podiumsdiskussion an der Leuphana Universität Lüneburg zeigt: Es fehlt vor allem an sozialer Absicherung für Promovierende.

Lüneburg. Skandale um erschlichene Doktortitel, bei denen Namen wie Althusmann, zu Guttenberg und Schavan genannt wurden, machen ihnen nicht einmal die größten Sorgen. Unter den sogenannten "Schummelpromotionen" hat das Renommée des Doktortitels zwar gelitten. Aber Lüneburgs Doktoranden an der Leuphana müssen ganz andere Probleme bewältigen, wenn sie ihre Promotion zu einem guten Ende bringen wollen. Ganz vorn steht die finanzielle Absicherung.

Um diese Schwierigkeiten zu benennen und vielleicht Abhilfe zu schaffen, hatte die Fachgruppegruppenvertretung Promotion (FGV) zu einer Podiumsdiskussion in die Leuphana eingeladen. Das Bild, das sich im Laufe des Abends ergab, zeigte gleich mehrere Hindernisse auf dem Weg in eine akademische Karriere. "Der Erwerb des Doktortitels ist keine Phase der Ausbildung, sondern gehört aus unserer Sicht zur Berufstätigkeit. Wir fordern deshalb ein Mindestmaß an sozialen Absicherungen und ausreichende Tarifverträge für diejenigen, die an den Lehrstühlen arbeiten", sagte Claudia Koepernik von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft.

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200.000 Promovierende gibt es in ganz Deutschland, viele von ihnen sind finanziell kaum abgesichert. Etwa die Hälfte von ihnen finanziert sich selbst: Sie jobben nebenbei, leben von Ersparnissen oder bekommen Geld von der Familie. Besser geht es denjenigen, die eine Beschäftigung an der Universität finden oder ein Stipendium ergattern. "Nur haben wir an den Universitäten es immer häufiger mit zeitlich befristeten Forschungsvorhaben zu tun, die mit Fördergeldern oder Drittmitteln bezahlt werden. Das bedeutet für den wissenschaftlichen Nachwuchs, dass er sich von Vertrag zu Vertrag hangelt - oft auf halben Stellen, denn auch an den Unis wird massiv gespart", sagte Kolja Briedes vom Institut für Hochschulforschung aus Hannover.

Auch wer eines der heiß begehrten Stipendien bekommt, fährt nur teilweise besser. "Die Stipendiendauer reicht oft nicht über die gesamte Phase der Promotion", sagte Agata Klaus, selbst Doktorandin im Fach Kunstgeschichte an der Leuphana. Dabei braucht sie ihren Doktortitel, um überhaupt ausreichende berufliche Perspektiven in ihrem Fachgebiet aufzubauen. "Wer beispielsweise an einer öffentlichen Einrichtung wie einem Museum tätig werden will, kommt ohne den Titel gar nicht aus", sagt sie.

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Aus diesem Grund seien tarifvertraglich abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse vorzuziehen, zumal dann in der Regel auch eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet sei, merkte Claudia Koepernik an - auch damit kann ein Doktorand Probleme haben. Weil sie keine Studenten mehr sind, entfallen nämlich für Promovierende die günstigen Versicherungstarife. Die Betroffenen können nur freiwilliges Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse oder Mitglied in einer privaten Krankenversicherung werden - und das ist in aller Regel teurer als die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse.

Und noch ein weiteres Problem macht vielen Anwärtern auf den Doktortitel zu schaffen: Für die Phase der Promotion gibt es keine allgemeingültigen Qualitätsanforderungen. Schon die Art und Weise, nach der Professoren ihre Doktoranden auswählen, ist vollständig ihnen selbst überlassen. Womit sie die angehende akademische Elite danach beschäftigen, entscheiden die Professoren auch allein. "Promotion ist kein Grundrecht. Aber wenn man jemanden als Doktoranten aufnimmt, sollte man sich auch um ihn kümmern. So oder so, es stimmt: Die Qualität wird in unserem System derzeit nicht kontrolliert. Bei uns geht es um die Menge, unser System zählt nur die Köpfe", sagte Professor Jörn Fischer von der Leuphana. Die Doktoranden appellierten nachdrücklich an die Professoren, durchdachte und standardisierte Anleitungen für die Promotion zu entwickeln. Dies sei umso dringender, weil die Phase der Promotion derzeit im Schnitt vier bis fünf Jahre beträgt, merkte Kolja Briedes an.

Die Realität sieht allerdings offenbar oft anders aus. "Viele der angehenden Doktoren werden doch nur als billige Arbeitssklaven betrachtet. Da wird bloß geschaut, was man aus denen noch herausquetschen kann", sagte einer der Zuhörer. "Wir hoffen, dass wir mit dem Abend den Blick auf die eigentlichen Probleme ein bisschen schärfen konnten", sagte Charlotte Speth, selbst Doktorandin am Zentrum für Demokratieforschung der Leuphana.