Ehrenamtliche Lotsen sollen in Bussen im Landkreis für Mitschüler da sein, Streit schlichten, Vandalismus verhindern und für Ordnung sorgen.

Scharnebeck. Täglich fahren im Landkreis Lüneburg Tausende Schülerinnen und Schüler mit Schulbussen zum Unterricht. Drängeleien beim Ein- und Aussteigen, Streit um Sitzplätze, Beschimpfungen, Rangeleien und Vandalismus sind an der Tagesordnung. Um das Übel an der Wurzel zu packen, beginnen in diesem Frühjahr etwa 300 Schüler ab Klasse acht aufwärts mit der Ausbildung zum Schulbuslotsen, die der Landkreis erstmals einheitlich für die kreiseigenen Schulen anbietet. Wie man Streitereien schlichtet und für mehr Sicherheit im Schulbus sorgen kann, lernen die zukünftige Schulbuslotsen auch am Schulzentrum Scharnebeck bei dem Gewaltpräventionstraining "Cool sein - cool bleiben".

Laut geht es zu in der Kreisbibliothek im Schulzentrum. Über 30 Jugendliche, mehrheitlich Jungs, interessieren sich an diesem Tag für das Projekt. Mit Verve dabei sind Jungen und Mädchen aus der Realschule am Schiffshebewerk. Maik Peyko, Diplom-Sozialpädagoge aus Bleckede, zeigt ihnen insbesondere, wie sie gemeinschaftlich Streithähne auseinander bringen, bei Krawallen eingreifen und Konflikte verhindern können. "Ich habe schon öfter miterlebt, dass beim Einsteigen gedrängelt und geschubst wird. Bald kann ich mich aktiv für Schwächere einsetzen", sagt 15-jähriger Realschüler Erik Trippmacher.

Bevor die Schüler selbst aktiv werden und im Rollenspiel üben, eine Rangelei in den Griff zu bekommen, gilt es in sich zu gehen, in Kleinstgruppen Täter-/Opfer-Profile zu skizzieren und die Ergebnisse vor versammelter Mannschaft zu präsentieren. Kein Schüler, der nicht ein dezidiertes Bild des jeweiligen Typs vor Augen hat: Klein sind die Opfer, zart und uncool, oftmals Brillenträger, schreckhaft, leicht zu erniedrigen, aber häufig schlauer als andere. Was ihnen wenig nützt.

Und die Täter? Das klassische Bild der Schüler zeichnet sie als groß, stark und selbstbewusst. "Allerdings sind die verloren, sobald ihnen die Gruppe fehlt, die sie trägt", so Maik Peyko. Nebenbei bringt der 33-jährige Sozialarbeiter den Schülern bei, die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen, während diese ihre Anliegen laut und sicher vortragen. Den Mitschülern rät er zu einem respektvollen miteinander. So erstaunt es nicht, dass nach jedem Vortrag das Plenum applaudiert und den jugendlichen Referenten Anerkennung zollt.

Der Landkreis Lüneburg hatte das Projekt Schulbuslotsen zum Sommer 2011 gemeinsam mit den kreiseigenen Schulen ins Leben gerufen. Vielerorts gab es bereits vorher Schüler, die sich ehrenamtlich um die Sicherheit auf dem Schulweg und besonders in den Bussen bemühen. Der Kreis sorgt nun mit der Polizei, der Verkehrswacht und der KVG als Partner für eine kostenlose Schulbuslotsen-Ausbildung.

Als Ansprechpartner von der Kreisverwaltung, Fachdienst Schule und Kultur, ist Carsten Schigulski vor Ort. Er hat bereits in der Schule Dahlenburg das Projekt begleitet und zeigt sich begeistert vom Engagement der Schüler: "Man kann die Schüler nur loben", so der 37-Jährige. Er schwärmt von dem Projekt: "Unser Vorbild ist Fulda. Dort agieren - falls notwendig - gleich drei Lotsen in einem Bus; nämlich vorne, hinten und in der Mitte."

Genau das übt Maik Peyko mit den Schülern: "Um Streithähne auseinander zu bringen, müsst ihr mindestens zu zweit sein. Holt euch immer jemanden zur Hilfe und sprecht mit lauter Stimme. Das macht Eindruck." Die Schulbuslotsen sorgen für ein geordnetes Ein- und Aussteigen, sind während der Fahrt für ihre Mitschüler da und nehmen bei Konfliktsituationen Kontakt zum Fahrer auf. "Die Lotsen sorgen auch dafür, dass Plätze nicht freigehalten und die Notausgänge nicht durch Ranzen versperrt werden", erläutert Schigulski. Durch einen reflektierenden Armclip sind die Helfer leicht auszumachen und für ihre Mitschüler jederzeit erkennbar.

"Die Jugendlichen haben viel zu tun, wenn sie ihre Aufgabe gewissenhaft erfüllen", betont Schigulski. Als Anerkennung für dieses Engagement organisiert und finanziert die der Landkreis für die Schulbuslotsen einmal im Jahr einen Ausflug in einen Freizeitpark. Darüber hinaus erhalten die Schulbuslotsen als Würdigung für die freiwillig geleisteten Dienste ein Zertifikat über die Dauer ihrer Tätigkeit, was sich bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz als Pluspunkt erweist.