Nebengewässer der Elbe um Lüneburg und Lüchow-Danneberg werden wieder mit dem Fluss verbunden. Fischreichtum und Artenvielfalt steigen.

Bleckede. Die Hoffnung ist groß, dass sich die fast 50 Jahre alte Forderung der Elbfischer erfüllt. Sie wollen seit langem, dass die Altarme an der mittleren Elbe in den Kreisen Lüneburg und Lüchow-Dannenberg wieder an den Fluss angeschlossen werden, um das Fischvorkommen zu erhöhen. Die Zuläufe versandeten im Laufe der Jahrzehnte oder wurden zugeschüttet und müssen nun freigebaggert werden, um die Nebengewässer wieder mit dem Fluss zu verbinden. Die Biosphärenreservatsverwaltung in Hitzacker hat sich dem Wunsch der Fischer angenommen und das erste Projekt verwirklicht.

Zwischen den Orten Neu Garge und Viehle im Amt Neuhaus wurde mit dem 1,6 Kilometer langen sogenannten Sapels-Altarm der erste reaktiviert. Es wurde ein 85 Meter langer, 23 Meter breiter und fünf Meter tiefer Verbindungskanal an der Mündung zur Elbe angelegt. Gleichzeitig wurden Querdämme beseitigt und Flachwasserzonen eingerichtet.

"Ziel ist es, ursprüngliche Lebensräume wieder zu beleben, um so die Artenvielfalt in der Elbe zu vergrößern", sagt Klaus-Jürgen Steinhoff von der Biosphärenreservatsverwaltung Niedersächsische Elbtalaue. Das Gedränge in einem Altarm sei groß, sobald der Weg zur Elbe frei ist, und er von Tieren wieder schwimmend erreicht werden kann, sagt er. "Es tummeln sich schon besonders geschützte Fischarten wie Brassen, Flussbarsche und Hechte, aber auch Wanderfische wie Lachs und Aal." Zudem fühlen sich Biber, Fischotter und Kleinstlebewesen in den ruhigen Gewässern wohl. Sie dienen als Rückzugsorte, in denen sich die Tiere ungestört vermehren können. Sogar Fischarten, die in der Elbe schon ausgestorben waren, finden eine neue Heimat. So wurde etwa 100 000 Jungfische des Nordseeschnäpels ausgesetzt.

Der Nordseeschnäpel zählte früher zu den häufigen Fischarten in der Elbe. Der ausgewachsen etwa zwei Kilo schwere Fisch hielt sich die meiste Zeit des Jahres im Wattenmeer auf und wanderte lediglich im Herbst zur Fortpflanzung die Flüsse hinauf. Etwa seit den 1950er-Jahren galt die Art vorübergehend als ausgestorben. Aus dem dänischen Grenzgebiet konnten jedoch größere Fischbestände aus Restvorkommen erfolgreich nachgezüchtet werden.

Neben dem Schutz der vorhandenen Tier- und Pflanzenarten sollen im Biosphärenreservat auch verschollene heimische Arten wieder eingebürgert werden. Denn die Vielfalt an Fischarten repräsentiert das ökologische Gleichgewicht in einem Fließgewässer. Besonders den Wanderfischen wie Stör, Meerforelle, Quappe und Flussneunauge sollen wieder mehr Lebensmöglichkeiten geboten werden. Gleichzeitig sollen die Fischbestände nachhaltig genutzt werden, um die Elbfischerei wieder zu beleben. Zurzeit gibt es drei hauptberufliche Fischer im Gebiet des Biosphärenreservates.

Die Elbfischerei hat eine lange Tradition. 1926 gab es im Raum Bleckede auf 24 Fluss-Kilometern 14 Haupterwerbsfischer. Mit dem Bau der Buhnen zur Mittelwasserregulierung der Elbe gingen zahlreiche Still- und Flachwasserzonen als Fischlebensräume verloren. Nach 1900 kam es zu einem dramatischen Rückgang der Fischbestände, der vor allem auch durch die zunehmende Einleitung von schadstoffbelasteten Industrieabwässern vornehmlich aus der ehemaligen DDR ausgelöst wurde. Nach 1990 war eine deutliche Verbesserung der Wasserqualität aufgrund einer reduzierten Schadstoffeinleitung zu verzeichnen. Die Fischbestände erholten sich allmählich und anhand von Fängen aus dem Jahr 2007 wurde der ökologische Zustand der Elbe aufgrund des Fischartenspektrums inzwischen als gut eingestuft.

Das Projekt bei Neu Garge, das zur weiteren Verbesserung beitragen soll, hat 130 000 Euro gekostet, wurde von der Europäischen Union und dem Land Niedersachsen finanziert. "Es gab für den Hochwasserschutz nützliche Nebeneffekte bei dem Vorhaben", berichtet Steinhoff. Mit dem Sapels-Altarm sei eine einstige Flutrinne der Elbe freigelegt worden, die schon auf Karten aus dem 18. Jahrhundert eingezeichnet war, sagt er. "Sie sorgt bei Hochwasser für einen besser Abfluss und entlastet so den Hauptstrom."

Zudem sei mehr als 6000 Kubikmeter Bodenaushub angefallen, die am gegenüberliegenden Ufer für den Deichbau in Alt Garge verwendet werden konnten. "Mit Schuten wurde der Boden über die Elbe transportiert."

Auf der Elbe war Steinhoff vor wenigen Tagen selber auch unterwegs. Mit an Bord des Schiffes waren Vertreter des Artlenburger und Neuhauser Deichverbandes sowie vom Landesbetrieb für Wasser-, Küsten- und Naturschutz. Sie suchten weitere Altarme, die als nächstes an die Elbe angebunden werden sollen. Die Auswahl an Nebengewässern der Elbe in den Kreisen Lüneburg und Lüchow-Dannenberg ist riesig. Fast 400 sind es, vom kleinen Tümpel bis zum Altarm in verschiedenen Größen. Kartiert wurden sie schon Ende der 1980er-Jahre von Diethard Fricke. "Mehr als 20 Jahre hat es dann gedauert, bis das erste Projekt starten konnte. Grund sind die hohen Kosten." Das Team um Steinhoff wurde im Landkreis Lüneburg fündig. Wo, das verrät er nicht. "Zunächst muss Geld eingeworben werden."