Im Projekt Lebendige Alster verteilen Jugendliche 170 Tonnen kleine Steine in der Alster, um mehr Lebensraum für die Tierwelt zu schaffen.

Hamburg. Berge mit klein- und grobkörnigem Kies, aber kein Bagger ist weit und breit zu sehen. 40 junge Leute in Gummistiefeln oder Wathose schaufeln den Kies erst in Schubkarren, dann in die Alster. Dick eingemummt gegen das kalte Wasser, das manchem bis zur Hüfte reicht. Bis zum frühen Nachmittag schuften die Jugendlichen zum Schutz von Fischotter und Forelle. Kieseinbauen nennen Umweltschützer diese Arbeit. Im Projekt "Lebendige Alster" von BUND Hamburg, Nabu Hamburg und dem Verein Aktion Fischotterschutz wollen sie so der Alster etwas von ihrer ursprünglichen Gestalt zurückgeben. Denn die Uferbereiche und Nebengewässer des Flusses sind ein wichtiges Biotop in der Region - und das ist bedroht.

Jahrzehntelang habe man den 53 Kilometer langen Fluss lediglich auf seine Entwässerungsfunktion reduziert, sagt Karsten Borggräfe vom Projekt "Lebendige Alster". Das Gewässer wurde massiv begradigt und die ehemals in der Alster vorhandene Kiessohle ausgebaggert - mit fatalen Folgen für die Lebewesen. "Für Forellen sind die Kiesbetten Laichbetten. Der Kies ist deshalb eine wichtige Grundvoraussetzung für Leben im Fluss", sagt Oskar Kölsch von der Aktion Fischotterschutz e. V. In Kiesbetten lebt die Nahrungsgrundlage der Fische, denn zwischen den Steinchen siedeln sich Bakterien, Würmer und andere Kleintiere an. Die Fische wiederum stehen auf dem Speiseplan der Fischotter, die seit einigen Jahren wieder vereinzelt in der Region vorkommen. Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg, sagt: "Mit dem Kies geben wir dem Fluss seine Natur zurück."

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Dem Fluss die Natur zurückzugeben, so lautet der Auftrag des im vergangenen Frühjahr gestarteten Kooperationsprojekts "Lebendige Alster". Finanziell gefördert wird das auf vier Jahre angelegte Projekt von der Michael-Otto-Stiftung, der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung und der Stadtentwicklungs- und Umweltbehörde der Stadt Hamburg. Indem man neuen Lebensraum für Tiere schafft, sollen zugleich Naherholungsgebiete für Menschen erhalten werden.

Wasserqualität und Fischbestände sind laut Borggräfe in der Alster nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Durch Schleusen und Wehre kämen viele Fische aus dem Meer nicht mehr in die Gewässer. Sogenannte Fischtreppen könnten helfen. Mit ihrer Hilfe sollen die Schleusen fischdurchgängig werden. In kleinen treppenförmigen Wasserfällen können die Fische das Gefälle überwinden. Die Umweltschützer hoffen, neben den bereits im Fluss beheimateten Rotfedern, Flussbarschen und Aalen bald auch Meerforellen, Quappen und vielleicht sogar Lachse in der Alster vorzufinden.

Im Vergleich zu den letzten Jahren habe sich die Wasserqualität verbessert, sagt Borggräfe. Einleitungen in den Fluss werden strenger kontrolliert als früher. Allerdings fehle es dem Gewässer noch an Selbstreinigungskraft. Die soll durch die Kiesaufschüttung wiederhergestellt werden. Zwischen den Kieselsteinen können sich Kleinstorganismen ansiedeln, die dann organische Substanz zersetzen. Außerdem sollen die Ufer für Tiere zugänglicher werden, damit Jungtiere Unterschlupf finden. Zusätzlich soll der Totholzanteil im Wasser erhöht werden - denn das Holz brauchen einige Vögel zum Nestbau. Auch die Auen sollen stärker in die Alster eingebunden werden. Ganzjährig feuchte Stellen - die Flutmulden - sind ein wichtiger Rückzugsort für Amphibien und Molche.

Martina Ahlers aus Wandsbek, eine der 40 Azubis der Otto Group, die bei dem Projekt mitanpacken, freut sich, dass sie etwas zum Umweltschutz beitragen kann. "Das macht großen Spaß, aber ich merke in meinen Armen, was für ein Aufwand es ist, die Steinchen dort hinzubringen, wo sie eigentlich hingehören", sagt die 21-Jährige.

Oskar Kölsch vom Fischotterschutz freut sich, dass sich so viele Freiwillige gefunden haben. Denn durch die gemeinsame körperliche Arbeit werde ein Bewusstsein für Naturschutz geschaffen. Noch bis zu diesem Sonnabend werden sie insgesamt 170 Tonnen Kies in die Alster schippen.