Sie schreiben erfolgreich historische Romane: Drei Lüneburger Autoren erzählen von ihrem Schriftsteller-Leben und Arbeitsweisen.

Lüneburg. Ruhe. Absolute Ruhe muss sein, damit sie beim Schreiben in die Geschichte versinken können, da sind sich Martha Sophie Marcus, Katryn Berlinger und Andreas Liebert einig. Alle drei sind erfolgreiche Autoren historischer Romane und leben im Lüneburger Umland. Alle drei interessieren sich für Geschichte. Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auf. Dem Abendblatt haben die drei Schriftsteller erzählt, wie sie arbeiten.

"Der Rabe und die Göttin" heißt das Buch, mit dem Martha Sophie Marcus derzeit Aufmerksamkeit erregt. Heute sogar auf der Buchmesse in Leipzig: Um 20 Uhr liest sie in der Taufkapelle der Peterskirche aus der Liebesgeschichte des Wikinger-Stammesfürsten Havenar und der schönen Frygdis.

Für sie sei das eine "eigenartige Situation", sagt Martha Sophie Marcus. Denn geschrieben hat sie den fast 800 Seiten starken Wälzer bereits vor fast zehn Jahren, im vergangenen Jahr erschien er dann im Bertelsmann Club, seit Januar ist er als Taschenbuch zu haben. "Ich bin in dieser Wikinger-Thematik überhaupt nicht mehr drin, momentan schreibe ich gerade an einem Buch, das im 14. Jahrhundert spielt." Gleichzeitig muss sie sich mit einem Buch über das 15. Jahrhundert auseinandersetzen, das gerade lektoriert wird und Ende des Jahres erscheinen soll. "Ich muss höllisch aufpassen, dass ich nicht Daten und Personen verwechsle."

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Damit das nicht passiert, legt Martha Sophie Marcus Tabellen an. Auf großen Papierbögen notiert sie die recherchierten historischen Ereignisse - geordnet nach politischen, sozialen oder kulturellen Hintergründen. Dazu kommen die Lebensläufe der Protagonisten, und auch über jede kleine Nebenfigur führt die Schriftstellerin Buch, "damit nicht eine blonde Magd 50 Seiten später plötzlich braune Haare hat."

Jeden Morgen schreibt die 39-Jährige, sobald ihre zwei Kinder aus dem Haus sind. Diszipliniert, am Schreibtisch, auf dem neben Unterlagen auch immer eine Tasse grüner Tee steht, etwa hundert Seiten pro Monat.

Wo bleibt da die Romantik? Die Leidenschaft? Die Inspiration? Katryn Berlinger, unter anderem Autorin von "Das Schokoladenmädchen" und "Die Muschelsucherin", zuckt da nur die Achseln. "Viele denken immer, uns Schriftstellern sitzt ein Papagei auf der Schulter, der alles vorplappert, und wir schreiben es nur auf. Dabei ist es echte Schweißarbeit, ein Buch zu schreiben."

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Erst die monatelange, manchmal gar jahrelange Recherche, bei der Informationen über die gewählte Periode gesammelt werden. Dann die Phase, in der die Informationen verarbeitet werden - "richtig harte Denkarbeit", sagt Berlinger. "Man ist im ständigen Lauschen in sich hinein, muss aus der Fülle des gewaltigen Datenmaterials aktiv eine neue Welt erschaffen, Figuren entwerfen." Wie eine Schauspielerin schlüpfe sie in diese hinein, um sie glaubwürdig darstellen zu können.

Dass sich eine Figur verändert und umbenannt werden muss, kommt bei ihr - anders als bei ihrer Kollegin - nicht vor. Ein Eigenleben entwickeln ihre Protagonisten aber dennoch. "Manchmal sagen und tun sie Dinge, die mich selbst überraschen. Dann habe ich richtig Herzklopfen und bin wahnsinnig gespannt, wie die Geschichte weitergeht." Denn wie Martha Sophie Marcus kennt Katryn Berlinger vor dem Schreiben zwar den Anfang, das Ende und die grobe Handlung ihres Romans, nicht aber das, was dazwischen passiert.

Andreas Liebert, der auch unter den Pseudonymen Andreas Trebal, Christian Turnau, Andrea Olsen und Kay Cordes Bücher wie "Corellis Geige" oder "Die Handleserin" veröffentlicht hat, arbeitet anders. "Ich schreibe schon auch aus dem Bauch heraus. Aber dann plane ich weiter voraus." In letzter Zeit kommt Liebert, Jahrgang 1960, aber kaum noch zum Schreiben. Er gibt lieber Kurse für angehende Schriftsteller an der Lüneburger VHS und in der Hamburger Romanwerkstatt.

So richtig Lust zum Schreiben hat er aber auch gerade gar nicht, scheint es. Nicht, weil er überhaupt nicht schreiben möchte. Nein: Weil er nicht unbedingt einen historischen Frauen-Roman schreiben will. Was anderes, sagt Andreas Liebert, interessiere die Verlage derzeit aber nicht. "Dabei gibt es Studien, dass die Leser und Leserinnen mitnichten nur Bücher mit weiblichen Hauptpersonen lesen möchten. Die Verlage sind aber so ignorant, dass sie die Empirie außer Acht lassen. Es wird immer behauptet, der Leser würde was anderes nicht annehmen. Kann er auch nicht, wenn es nicht angeboten wird", schimpft Liebert.

Er hat nicht unrecht. Sieht man sich in Lüneburger Buchläden um, springen Titel wie "Die Handheilerin", "Die Apothekerin" oder "Die Marketenderin" in die Augen. Die Protagonisten und der Inhalt vieler dieser Romane ähnelt sich. Man nehme eine starke, schöne Frau - ein bisschen eigensinnig vielleicht, auf jeden Fall aber sehr leidenschaftlich. Dazu einen Mann: tapfer, ehrenhaft und stattlich anzusehen. Ein paar widrige Umstände, tiefe Blicke und glühende Lenden, und fertig ist der historische Roman. Nun ja, fast. Ein bisschen geschichtlicher Hintergrund gehört natürlich auch noch dazu. Schließlich möchte der Leser (oder vielmehr die Leserin) ja nicht nur unterhalten werden, sondern auch noch etwas lernen.

Nach Meinung von Patricia Kessler, Sprecherin der Verlagsgruppe Droemer-Knaur, liegt es nicht am Angebot, dass die meisten Leser von historischen Romanen weiblich sind; es gebe durchaus auch Titel für Männer. Das Gros aber, das gibt sie zu, sei eher für Frauen konzipiert. "Die starke Frau, die sich in einer von Männern dominierten Welt behaupten muss, ist ein Motiv, das immer wieder auftritt und natürlich bei Leserinnen besonders beliebt ist." Es soll aber auch Männer geben, die sich davon nicht abschrecken ließen.