Ex-Kreisbrandmeister Werner Meyer geht als Feuerwehrmann in den Ruhestand. Unter seiner Führung wurden die Wehren kompetente Fluthelfer.

Scharnebeck. Der Stratege der Kreisfeuerwehr Lüneburg ist in den Ruhestand gegangen. Der ehemalige Kreisbrandmeister Werner Meyer aus Scharnebeck hat die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht und muss deshalb den aktiven Dienst beenden. Fast 50 Jahre fuhr Meyer Einsätze, war ehrenamtlich bei fast allen Großereignissen in den vergangenen Jahrzehnten als Helfer mit von der Partie, wie etwa bei der Waldbrandkatastrophe 1975 in der Heide und den Jahrhundertfluten 2002, 2006 und 2011 an der Elbe.

Ihm ist es zu verdanken, dass die Feuerwehren im Landkreis Lüneburg vom ersten Jahrhunderthochwasser im August 2002 nicht kalt erwischt wurden, sondern gut vorbereitet waren und von einer perfekt ausgebildeten Einsatzleitung dirigiert wurden. Meyer hatte zuvor Weitblick bewiesen und die Struktur so verändert, dass eine schlagkräftige Truppe die Deiche erfolgreich verteidigen konnte. "Noch im Oktober 2001 hatten wir exakt die Situation in Amt Neuhaus geübt, die wir zehn Monate später im wahren Einsatz bewältigen mussten", erinnert sich Meyer.

Schon 1995 begann der Umbau in der Kreisfeuerwehr, zwei Jahre, nachdem der Scharnebecker zum Kreisbrandmeister gewählt worden war. Der damalige Erste Kreisrat und heutige Staatssekretär im niedersächsischen Kultusministerium, Stefan Porwol, wollte eine Einschätzung von Meyer, welche Katastrophen im Kreis realistisch passieren könnten. "Wir haben Wald und Wasser. Dahinter verbirgt sich großes Potenzial." Vor allem die alten DDR-Deiche in der Gemeinde Amt Neuhaus bereiteten ihm Sorgen. "Sie waren mehr wilde Sandwüsten als Hochwasserschutzanlagen", sagt Meyer. Gleichzeitig habe er in den Orten Feuerwehren auf Nachkriegsniveau vorgefunden.

Meyer integrierte die Deichverteidigung als Aufgabe in die Technische Einsatzleitung (TEL) der Kreisfeuerwehr. "60 Feuerwehrkameraden wurden zu Fachleuten auf diesem Gebiet ausgebildet. Sie wurden zu einer schlagkräftigen Truppe, die bis heute fähig ist, im Schichtbetrieb zu arbeiten." Die große Erfahrung gestandener Brandschützer und das Fachwissen verschiedener Berufe wurden in der TEL gebündelt: Ihr gehören bis heute unter anderem Handwerker, Ingenieure, EDV-und IT-Fachleute, Logistiker, Bauunternehmer und Mitarbeiter von Energieversorgern an. "Das Wissen aus verschiedenen Fachgebieten und die gute Ausbildung, die auch an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz in Ahrweiler stattgefunden hatte, waren ein Segen für den Landkreis bei der Jahrhundertflut 2002."

Die Übung mit dem Namen "Glück auf!" im Oktober 2001 an den maroden DDR-Deichen war das Ende der Umstrukturierung in der Kreisfeuerwehr. Mehr als 800 Einsatzkräfte übten Hand in Hand den Ernstfall an der Elbe: Feuerwehren aus den Kreisen Lüneburg, Uelzen und Soltau-Fallingbostel waren genauso dabei wie die Helfer vom Roten Kreuz und Arbeiter-Samariter-Bund sowie Deichverbände, Polizei und Mitarbeiter der Kreisverwaltung.

"Das war die Grundlage für den Einsatz beim Jahrhunderthochwasser 2002, bei dem es trotz unserer hervorragenden Vorbereitung dramatischer zuging, als es die Öffentlichkeit jemals erfahren hat", so der Scharnebecker. Vor allem im Gedächtnis bleibt ihm der 28. August 2001. "In Neu Garge war der Deich gebrochen. Es wurden bereits Wasser und Sand hindurchgespült." Wie kritisch die Situation wirklich war, sei nach Meyers Worten nie publik gemacht worden. "Es war dramatisch. Wäre es uns nicht in letzter Minute geglückt, den Deich doch noch zu sichern, dann wäre die Ortschaft Neu Garge weggespült worden."

Zum Glück bewährte sich die trainierte Zusammenarbeit auch unter erschwerten Bedingungen. Denn der Deichbruch geschah in dunkler Nacht. "Ein Ingenieur behielt den Deich im Auge. Polizeitaucher verlegten Planen vor dem Damm. Außerdem wurde mit 90000 Sandsäcken ein Riegel gebaut." Die Säcke kamen mit einer Schute über das Wasser vom anderen Ufer aus Alt Garge. "Eine gefährliche Aktion, weil der Schutenführer bei Dunkelheit fahren musste. Bäume, die aus dem Wasser ragten, waren schwer zu erkennen. Wir versuchten so gut wie möglich, die Elbe auszuleuchten."

Gut aufgestellt seien die Wehren nicht nur an der Elbe, sondern auch in der Heide, sagt der ehemalige Kreisbrandmeister. "Die Lehren aus der Waldbrandkatastrophe 1975 wurden gezogen. Feuerwehrflugzeuge beobachten bei Trockenheit die Lage aus der Luft und die Ortswehren in der Heide wurden mit geländegängigen Löschfahrzeugen ausgerüstet."

Neu sind die Beobachtungskameras in den Wäldern. "Sie sind gut, aber ersetzen nicht die Flieger. Denn die Einsatzkräfte am Boden müssen aus der Luft dirigiert werden. Nur von oben sieht man, wie ein Feuer läuft." Wobei die Gefahr für Feuerwehrmänner, vom Feuer eingeschlossen zu werden, auch durch Beobachtung aus der Luft nicht gebannt ist. "2003 hatten wir solche Situationen in den Kreisen Celle und Lüchow-Dannenberg, bei denen es verdammt knapp war."

Werner Meyer wird sich die weitere Entwicklung der Kreisfeuerwehr von nun an als Mitglied der Altersabteilung entspannt anschauen. Dennoch fordert er, dass alles dafür getan werden muss, dass jedes Dorf seine Feuerwehr behält. "Die Ortskenntnis ist enorm wichtig, weil sie die Grundlage dafür ist, schnell die Unglücksstelle zu erreichen. Sie rettet Leben, weil die Hilfe schnell kommt." Er glaubt, das Ziel der Feuerwehren müsse es sein, rund zehn Prozent der Bevölkerung eines Ortes als Mitglied in die Wehr zu bekommen. "Auch muss die Mischung von Jung und Alt stimmen. Der ideale Altersschnitt einer Wehr liegt bei 35 Jahren." Kinder- und Jugendwehren seien die Basis für die gesunde Struktur.

Überdies fordert er mehr Frauen für die Ortswehren. "Da steckt noch viel Potenzial drin. Vor allem bei den 30- bis 40-Jährigen, deren Kinder schon aus dem Haus sind." Und auch die Integration von Ausländern sei wichtig für die Feuerwehr der Zukunft. "Sie findet bei uns längst statt. So haben wir bereits eine türkischstämmige Ortsbrandmeisterin", sagt er.