Das erste Stück des Lüneburger Seniorentheaterclubs feiert Premiere. In “Die Zeit fährt Auto“ flossen Erfahrungen der Frauen ein.

Lüneburg. Sie sind zwischen 60 und 70 Jahre alt und trauen sich was: Zwölf Frauen im besten Alter ohne Schauspielerfahrung machen seit einem Jahr zusammen Theater. Seniorentheaterclub heißt das Lüneburger Projekt. Heute hat das erste Stück "Die Zeit fährt Auto" Premiere.

Einmal pro Woche treffen sich die Frauen für eineinhalb Stunden im Lüneburger Theater. Ein Jahr hat es vom ersten Treffen bis zur Premiere gedauert. Auch, weil Regisseurin Sabine Bahnsen mit den zwölf Laiendarstellerinnen zunächst Grundübungen machte. "Partner- und Körperübungen, aber auch Improvisation haben wir geübt", sagt sie. Die Arbeit hat sich gelohnt: Die 99 Plätze im T.NT, wo "Die Zeit fährt Auto" aufgeführt wird, sind bereits seit ein paar Tagen ausverkauft. "Das haben wir natürlich gehofft, aber eigentlich nicht für möglich gehalten", sagt Seniorenclubberin Hedda Wegner. Die 67-Jährige rechnet damit, im Publikum einige Freunde und Bekannte zu sehen.

Ins Leben gerufen hat den Seniorentheaterclub am Stadttheater die Leiterin des Kinder- und Jugendtheaters Sabine Bahnsen. Zu ihrem Bereich zählt auch die Theaterpädagogik. Seit vier Jahren arbeitet sie mit älteren Menschen. "Ich habe bereits in Coburg mit Senioren Theater gemacht. Die Arbeit war sehr schön, das wollte ich auch in Lüneburg machen", sagt sie. Doch fast hätte es nicht geklappt. "Die Idee wurde zu schlecht verbreitet. Es haben sich zunächst nur drei Senioren gemeldet", sagt Sabine Bahnsen. Zu wenig, um Theater zu machen. Ein Jahr später startete sie einen neuen Versuch mit Flyern im Foyer des Theaters. Es klappte, allerdings meldeten sich nur Frauen.

Wie das Stück aussehen sollte, wusste die Regisseurin bereits: "Ich wollte autobiografisch arbeiten. Mit Laien Klassik zu spielen, ist nicht so interessant, wie gelebtes Leben auf die Bühne zu bringen."

Das Ergebnis heißt "Die Zeit fährt Auto". Eine Zeitreise ins wahre Leben soll es sein. Chronologisch werden die Erinnerungen der Darstellerinnen vom zweiten Weltkrieg bis zum Mauerfall gezeigt. Wie war das in der Kriegs- und Nachkriegszeit, wo waren wir, als Hamburg gegen die Sturmflut kämpfte oder in Berlin die Mauer gebaut wurde? Das haben sich die Laienschauspielerinnen gefragt. Sabine Bahnsen hat die Erinnerungen nicht nur aus den Darstellerinnen herausgekitzelt, sondern sie auch szenisch darstellbar gemacht und ein Drehbuch geschrieben.

Das beinhaltet den schwersten Teil für die Frauen. "Das Auswendiglernen ist mir enorm schwergefallen nach so langer Zeit", sagt Anne Lübke. Sie lese zwar viel, doch das Einüben sei eine ganz andere Aufgabe. "Man merkt richtig, wie wieder alles da oben in Gang gesetzt wird", sagt sie und zeigt auf ihre Schläfe.

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Trotzdem sieht Sabine Bahnsen nur einen kleinen Unterschied zu jüngeren Schauspielern: "Ich kann die Damen nicht akrobatisch über die Bühne schicken." Die Schauspielerinnen schätzen ihre Regisseurin. Doch manches ist ungewohnt. "Es ist zunächst merkwürdig, von jemand Jüngerem kritisiert zu werden", sagt Heidi Scheunemann. Die 70-Jährige hat, bis auf einige Auftritte als Komparsin bei der Fernsehserie Rote Rosen, keine Schauspielerfahrung. "Es ist spannend und Respekt einflößend, hinter die Kulissen zu schauen", sagt sie. Erst seit sie selbst Theater spiele, sei ihr bewusst, wie viel Arbeit dahinter stecke.

In dem Stück sind Bühnenbild und Requisiten bewusst minimalistisch gehalten: Eine Leinwand wird je nach Tageszeit und Stimmung farbig beleuchtet. Und auf der Bühne stehen ein Tisch, zwei Stühle und ein Hocker. "Mehr Requisiten brauchen wir nicht. So steht wenigstens nichts im Weg", sagt Sabine Bahnsen.

Kostüme haben die Frauen aus dem Theaterfundus erhalten. Sie tragen Rock und Jacke, manche Modelle ausgefallener, andere schlichter. "Dieses Grundkostüm behalten die Darstellerinnen an. Sie ziehen Jacken und Hüte über, wenn sie Männer spielen", sagt die Regisseurin. Sie wünscht sich noch etwas männlichen Zuwachs: "Eigentlich ist zwölf eine gute Zahl, sonst wird die Bühne zu voll. Doch einen Mann könnten wir gut gebrauchen."

Auch ohne männliche Unterstützung sind die Laiendarstellerinnen stolz auf das, was sie geschafft haben. "Es geht nicht nur um das Stück. Wir haben hier einen ganz tollen Zusammenhalt geschafft", sagt Heidi Scheunemann. Ihre Mitspielerin Hedda Wegner ergänzt: "Ich hatte mir von dem Projekt erhofft, dass ich tolle Frauen kennenlerne, die sich neuen Herausforderungen stellen. Und so ist es."

Die Premiere heute Abend ist ausverkauft. Es gibt jedoch noch Karten für die Vorstellungen morgen um 20 Uhr und am Mittwoch, 22. Februar, um 16 Uhr im T.NT-Studio. Der Eintritt kostet 11,35 Euro, ermäßigt 8,75 Euro. Karten gibt es unter der Telefonnummer 04131/421 00 und an allen bekannten Vorverkaufsstellen.