Kostümbildnerin Sabine Meinhardt verabschiedet sich vom Theater Lüneburg. Die 65-jährige Büchernärrin galt im Haus stets als gute Seele.

Lüneburg. Hamlet, Emilia Galotti und der Schwerenöter Don Giovanni haben ihre Spuren in einem Lüneburger Keller hinterlassen. Sortiert nach Größe lagern im Fundus des Theaters Lüneburg historische Badekostüme neben Nachthemden, Mänteln, Hüten und natürlich großen Bühnenkleidern. Dicht an dicht hängen in mehreren Etagen über 1000 Einzelstücke, die den Darstellern direkt auf den Leib geschneidert werden. Sabine Meinhard zieht eines heraus. Bronzefarbene Fäden durchziehen den rotbraunen Stoff und lassen ihn metallisch glänzen. "Das war der Bühnenmantel für Aida. Das sah auf der Bühne großartig aus", sagt Sabine Meinhardt über das Gewand, das Daniela Grubert als nubische Prinzessin in Guiseppe Verdis Oper strahlen ließ.

Dass die Kostümbildnerin am Ende des Monats in den Ruhestand geht, sieht sie mit gemischten Gefühlen. "Es ist ein sehr schöner Beruf, aber er ist auch stressig. Das Privatleben kam oft zu kurz. Das wird sich jetzt ändern", sagt die 65-Jährige.

Für mehr als 160 Produktionen hat Sabine Meinhard in Lüneburg Darsteller eingekleidet. Zu tun gab es dabei immer viel, unabhängig davon, ob es sich um ein zeitgenössisches Schauspiel, ein Tanzstück oder um Musiktheater handelt, denn fast alles wird in der Kostümwerkstatt des Theaters selbst entworfen, geschneidert und angepasst. Besonderen Aufwand erfordern Barockopern. "Da haben die Damen mindestens drei verschiedene Kleider, dazu kommen Schuhe, Mantel oder Cape und die Accessoires wie Taschen und Hüte."

Beginnen die Proben für ein neues Stück, entstehen gemeinsam mit Regisseur und Bühnenbildner die ersten Kostümideen. "Wenn das Raumkonzept steht, fange ich mit den ersten Skizzen an. Wir setzen die Idee der Inszenierung in eine Optik um", beschreibt Sabine Meinhardt ihren Job. Feste Regeln gibt es nicht. "Zum Beispiel Shakespeare ist immer ein großes Abenteuer. Da geht alles von Jeans bis zum historischen Kostüm."

Für ein Stück musste sie zahlreiche Schauspieler als preußische Soldaten einkleiden. Zu den Gardeuniformen gehörten rote Hosen und dunkelblaue Jacken mit goldenen Knöpfen auf der Brust. Nicht immer sind die Kostüme bequem, aber die Haut der Soldaten konnte sich in diesem Fall an Kaschmir schmiegen. "Da wir für alle Teile mehr als 130 Meter Stoff brauchten, war dieses Angebot am günstigsten", sagt die Hamburgerin lachend. Ein spezielles Faible hat sie für Hüte. "Da konnte ich mich in der Produktion von "My Fair Lady" austoben." 22 verschiedene Hüte hat sie entworfen und gestaltet.

Schon früh wusste Sabine Meinhardt, was sie nicht wollte. Einen Job im Büro konnte sie sich gar nicht vorstellen. "Das ist einfach nichts für mich. Ich wollte gern einen Beruf, der Handwerk und Kreativität kombiniert. Und ich wollte mit Menschen zu tun haben, die sich für das interessieren, was mir auch Spaß macht, nämlich die Auseinandersetzung mit Kunst, Literatur und natürlich der Musik."

Also hat sie nach einer Schneiderlehre an der Kunsthochschule Braunschweig Kostümdesign studiert. "Da habe ich alles gelernt, vom Zeichnen über Kostümgeschichte bis hin zu bestimmten Techniken." Die ersten Theatererfahrungen sammelte Sabine Meinhardt, die im Harz geboren wurde und in der Nähe von Hameln aufgewachsen ist, in Rendsburg. Weitere Stationen in Esslingen und Hamburg folgten. "In den ersten Jahren war ich immer etwa vier Jahre an einem Haus, das war so ein innerer Zyklus", sagt die 65-Jährige.

In ihrer Lieblingsstadt Hamburg durchbrach sie zum ersten Mal diese Regel. 13 Jahre blieb sie an den Kammerspielen. Dort traf sie auch Jan Aust, der lange Jahre als Intendant das Theater Lüneburg geführt hat und Sabine Meinhardt schließlich dazu brachte, ihm zu folgen.. "Er hat mich überredet. Und zwar hat er mich genau genommen mit der Oper gelockt. Das war die Mausefalle", sagt sie lachend.

Don Giovanni aus Mozarts gleichnamiger Oper ist eine der Figuren, die sie besonders mag. Der Verführer, dessen gesamtes Tun darin besteht, sich ohne Rücksicht auf Konsequenzen zu amüsieren, "Das ist eine harte Nuss, die nicht so leicht zu knacken ist. An der Figur kann man sich abarbeiten und sich trefflich über sie streiten", sagt Sabine Meinhardt.

Im Theater Lüneburg gilt sie als gute Seele. Noch hat Sabine Meinhardt einige Tage Zeit, auszuräumen. Aber langweilig wird ihr es auch zu Hause nicht. Momentan wird ihre Wohnung renoviert und dann müssen mehr als 1500 Bücher wieder zurück an ihren Platz gestellt werden.