Das Schmallenberg-Virus macht auch vor den Herden des Vereins Naturschutzpark nicht halt. Auch der eiskalte Winter setzt den Tieren zu.

Schneverdingen. Die Müdigkeit merkt man Uwe Storm, 49, nicht an, obwohl sein Arbeitstag zurzeit fast rund um die Uhr dauert, von acht Uhr morgens bis fünf Uhr nachts, unterbrochen von ein paar Stunden Schlaf. Auch in der Nacht sieht der Schäfer bei seiner Herde nach dem Rechten - es ist Lammzeit. Seine Tiere möchte er in dieser wichtigen Phase nicht allein lassen, gerade in diesem Jahr nicht, denn es gibt Problemfälle. Der eiskalte Winter macht den Tieren zu schaffen, und das tödliche Schmallenberg-Virus verschont auch die Schnucken und Ziegen in der Heide nicht.

"Ich bin seit 19 Jahren hier, aber so einen kalten Winter habe ich noch nicht erlebt", sagt Storm. Die Tiere und ihr Schäfer sind einander besonders nah in dieser Zeit. Eine Ziege hat sich ihm, als es soweit war, sogar zu Füßen gelegt und beschützt vom Schäfer ihren Nachwuchs bekommen. Knapp 600 Heidschnucken und Ziegen hat er in seiner Herde, 380 Lämmer und Zicklein erwartet er in diesem Jahr - wenn nichts passiert.

Jetzt sind alle im Stall auf dem Tütsberg bei Schneverdingen, erst Mitte März soll die Herde wieder ins Freie. Trotz der vielen Tiere unter einem Dach wird es im Stall nicht warm, sogar die Tränken frieren immer wieder ein. Die Wolle halte nicht nur die Kälte von den Schnucken fern, sie gebe auch nur wenig Körperwärme nach außen ab, erklärt Andreas Truckenbrodt, 43, Schäfer und Diplom-Agraringenieur. Seit 2010 ist er Fachbereichsleiter für Naturschutz, Heidschnucken und Ziegen bei der Stiftung des Vereins Naturschutzpark Lüneburger Heide (VNP).

+++ 30 Betriebe mit Rindern und Schafen im Norden betroffen +++

Ihm und den Schäfern macht seit ein paar Wochen ein Krankheitserreger schwer zu schaffen. Das Schmallenberg-Virus sorgt bei Schnucken und Ziegen für tot geborenen oder nicht lebensfähigen Nachwuchs. Übertragen wird das Virus, wenn das Muttertier von der Gnitze, einer Mücke, gestochen wird, so Truckenbrodt. Im vergangenen Jahr waren die Gnitzen lange aktiv.

Laut Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz kann das Schmallenberg-Virus Rinder, Schafe und Ziegen befallen. Erwachsene Tiere zeigen nur milde Symptome. "Werden allerdings trächtige Tiere infiziert, so können zeitverzögert Störungen der Fruchtbarkeit, Frühgeburten und zum Teil erhebliche Schäden bei den Neugeborenen auftreten", so das Ministerium. Für den Menschen bestehe dagegen "durch das Schmallenberg-Virus nach bisheriger Kenntnislage kein Gesundheitsrisiko".

Dass die Tierhalter mit den massiven wirtschaftlichen Schäden nicht allein gelassen werden, hofft Andreas Truckenbrodt: "Wir sind nicht Schuld daran und hoffen, dass der Staat uns hilft". Die Verluste seien erheblich: "In jeder unserer Herden hat es schon solche Fälle gegeben", sagt er. Auch Uwe Storm und seine Tiere sind vom Virus nicht verschont geblieben.

Ob es aber überall so schlimm wird wie bei jener anderen VNP-Herde am Schäferhof in Schneverdingen, ist zurzeit noch völlig unklar. Dort ist seit Anfang Januar jedes fünfte neu geborene Tier durch das Schmallenberg-Virus gestorben. Dass sich hieraus der zu erwartende Gesamtverlust aller Herden hochrechnen lässt, glaubt Truckenbrodt nicht. "Je später im Jahr die Tiere lammen, desto weniger sind vom Virus betroffen" - und die Schäferhof-Herde war besonders früh dran.

+++ Vorerst kein Schmallenberg-Impfstoff +++

Die Krankheit trete dann auf, wenn die Mutterschafe und -ziegen zu Beginn ihrer Trächtigkeit infiziert wurden. Je später im Jahr der Nachwuchs gezeugt werde, desto weniger Gnitzen sind noch in der Luft, und desto weniger Muttertiere werden gestochen und infiziert.

Jedes tot geborene Tier bedeutet einen wirtschaftlichen Verlust für die Stiftung Naturschutzpark, die sieben Herden mit 2500 Mutterschafen und 150 Mutterziegen besitzt, davon vier gemischte Herden, zwei reine Heidschnuckenherden und eine, die nur aus Ziegen besteht. Für die VNP-Stiftung sind die Herden ein wichtiger Wirtschaftsfaktor - zum einen, weil normalerweise Jahr für Jahr Tiere verkauft werden, zum anderen, weil Schnucken und Ziegen unverzichtbare Helfer bei der Landschaftspflege in der Heide sind.

Zurzeit fehlt das Geld aus dem Verkauf von Heidschnucken: Damit in den nächsten Jahren die Herden nicht immer kleiner werden, hat Andreas Truckenbrodt bereits die Notbremse gezogen und den Verkauf von Muttertieren bis Ende März gestoppt. Dann soll eine Bestandsaufnahme zeigen, wie hoch die Verluste sind - schließlich wird jedes Jahr genügend Nachwuchs an tierischen Landschaftspflegern gebraucht, damit die Heideflächen ihr typisches Erscheinungsbild behalten.

Opfer der Krankheit sind derzeit nicht nur die Heidschnucken und Ziegen, sondern auch die Menschen, die sie betreuen. "Die Schäfer fühlen sich sehr schlecht, sie brauchen emotionale Unterstützung", hat Truckenbrodt festgestellt. "Man hat immer Sorgen, aber damit muss man leben", beschreibt Uwe Storm die Anteilnahme des engagierten Schäfers am Wohlergehen seiner Tiere. Und er ist sich sicher: "Wir haben schon alles überstanden, wir werden auch das überstehen."