Ein Luftkurort hat die Seuche am Hals. Schmallenberg kämpft gegen das gleichnamige Virus.

Das Unglück kam über Nacht, es kam als Virus und ohne Namen. Genau genommen war das auch schon die Keimzelle des Unglücks, diese verdammte Namenlosigkeit. Aber der Reihe nach.

Schmallenberg ist ein schnuckeliger Luftkurort im Hochsauerland, 25.000 Seelen, 500 Meter über Normalnull, 400 Ferienwohnungen, 200 Pensionen, 65 Gasthöfe, 30 Hotels (davon 16 mit eigenem Schwimmbad). Eigentlich. Denn seit einigen Wochen verbinden Menschen in aller Welt Schmallenberg nicht mehr in erster Linie mit 1a-Sauerstoff, hausgemachter Knochenwurst und westdeutschem Landidyll, vielmehr mit schnöden Krankheitserregern. Forscher des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) hatten bei Kühen eines Schmallenberger Bauernhofs exotische Viren gefunden, die das Vieh krank machen und in ähnlicher Form sonst nur in Japan vorkommen. Die "New York Times" berichtete. Nun musste noch schnell ein Name her, also tat das FLI das, was es in solchen Fällen immer tut: Es benannte den Erreger nach der Stätte seines Erscheinens. Seitdem hat Schmallenberg die Seuche am Hals.

"Die Verärgerung ist groß", sagte ein Sprecher des Kurorts. Die Hoteliers fürchten um Kunden und Einnahmen. Die Stadtoberen sprachen beim Institut vor, zwecks Umtaufe. Ohne Erfolg. Man kann die Sauerländer verstehen, das Virus ist ein klarer Standortnachteil. Wer will schon Urlaub machen, wo er sich ständig namentlich infiziert fühlt? Man stelle sich vor, welch verheerende Wirkung es hätte, wenn Wörter wie Sylter Grippe um die Welt gingen, Weimarer Herpes, Rothenburg ob der Seuche, Neuschleimstein? Kaum auszudenken.

So ganz müssen die Sauerländer die Hoffnung nicht aufgeben, dass ihr Stadtname sich noch kurieren lässt. Der Terminus "Schmallenberg-Virus" gilt nämlich nur vorläufig, das finale Urteil liegt beim Komitee für die Taxonomie von Viren. "Es kann durchaus sein, dass es umbenannt wird", sagte eine FLI-Sprecherin. Nordrhein-Westfalens Landesumweltamt benutzt netterweise bis auf Weiteres nur das Kürzel "SBV".