Er fühle sich verpflichtet, seine Kinder zu erziehen, sagt Axel H. Gestern stand er wegen Entführung vor Gericht und erklärte seine Taten.

Lüneburg. Als ihr Schwiegervater ihr eines Tages erzählte, er habe den Schlüssel zu ihrer Wohnung verloren, denkt sich Katja H. nichts dabei. Sie lässt einfach einen neuen anfertigen.

Doch der Schlüssel ist gar nicht verloren. Ihr Ex-Mann hat ihn sich geholt. Steigt eines Nachts in ihr Haus ein, holt Papiere und Sparbücher, während Mutter und vier Kinder schlafen. Ein paar Tage später setzt er sich mit den Mädchen und Jungen statt auf den Fahrradsattel in die Sessel eines Flugzeuges nach Ägypten. Monate später nehmen internationale Fahnder Axel H. in Kairo fest.

Die Geschichte von Axel und Katja beginnt 1997, da lernen sich die beiden Krankenpfleger-Azubis in einem Krankenhaus kennen. 1998 zieht das Paar in Celle zusammen, 2000 machen beide ihr Examen, ziehen für zwei Jahre nach Hamburg und 2002 kurz nach der Geburt des ersten Sohnes zurück nach Hermannsburg bei Celle.

Als Axel in Elternzeit gehen möchte, respektiert Katja seinen Wunsch. Bis 2004 sorgt der Vater für den ersten Sohn, die Mutter geht arbeiten. Dann wechselten die Rollen wieder, der Krankenpfleger machte eine Diabetesausbildung, ist seither arbeitslos.

Dann kommt der zweite Sohn zur Welt. Der Vater will einen Taufspruch für ihn aus der Bibel suchen und vertieft sich dazu immer mehr in sein Zimmer, hockt nächtelang am Computer. Das erzählt die Mutter Jahre später den Richtern, als ihr Ex-Mann am 24. Januar 2012 wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und Entziehung Minderjähriger vor dem Landgericht Lüneburg steht.

2005 bricht Axel eine Ausbildung ab und kündigt seiner Frau an, Missionar werden zu wollen. Doch für keine der Bibelschulen, die er sich ansieht, findet er Gefallen. Er zieht sich immer mehr zurück, taucht ab in Internetforen. Ein drittes Kind, die erste Tochter, kommt zur Welt.

2007 die zweite Tochter, und im Sommer sagt Katja, sie macht das alles nicht mehr mit. Im Dezember trennt sie sich, zwei Monate später zieht der Familienvater auf ihren Wunsch hin aus und geht nach Berlin. Streit, Kontaktabbruch, Wiederaufnahme, Wille zum erneuten Versuch: Nach etwa einem Jahr zieht Axel wieder zu Hause ein, Katja will einen neuen Versuch, "der Kinder wegen", sagt sie. "Ich habe alles Mögliche versucht, diese Ehe zu retten." Doch das funktioniert nicht.

Der Vater will nicht länger, dass die Mädchen und Jungen den Kindergarten besuchen oder im Verein Fußball spielen. Er will, dass die Familie auf ein Auto verzichtet. Will nicht wieder als Krankenpfleger arbeiten, weil er gegen die Verabreichung von Medikamenten ist. Will im Prinzip gar keiner Arbeit nachgehen, weil es keinen Job gibt, der mit seinem Glauben vereinbar ist. Will, dass seine Frau Rock statt Hose trägt. Dass er bestimmt, wo es lang geht.

Dass er der Mann im Haus ist und sie nur die Frau. Erzählt sie. "Er hat immer recht", sagt die Frau vor Gericht. Begründet habe er das mit dem Alten Testament.

Sie trennt sich, zieht im Juni 2009 mit den Kindern aus, reicht ein Jahr später den Scheidungsantrag ein. Der liegt derzeit vor Gericht. Als der Vater im Juli 2009 erfährt, dass seine Noch-Ehefrau einen neuen Partner hat, beantragt er das alleinige Sorgerecht. Liest mit den Kindern die Geschichte der Ehebrecherin aus der Bibel - und erzählt ihnen, dass Frauen wie Mama in anderen Ländern gesteinigt und gehängt werden.

"Nach Glauben und Gesetz fühle ich mich verpflichtet, meine Kinder zu erziehen", sagt er vor Gericht. "Das geht nicht in vier Stunden." So viel Umgang hatte ihn ein Familiengericht zuletzt zugestanden. Ruhig und selbstbewusst trägt der schmächtige Mann seine Gründe dafür vor, seine Kinder nach Ägypten und den Sudan entführt zu haben: Den Aufenthalt bei der Mutter halte er für "schädlich".

Dass er ein Dieb sei und einen Einbruch begangen habe, sei des Richters "Sicht der Dinge". Schließlich habe er den vorhandenen Schlüssel des Vaters benutzt, nichts gestohlen und niemandem etwas getan. "Alle schlummerten friedlich."

Die Urkunde über die Eheschließung habe er mitgenommen in der Hoffnung, in Ägypten würde man Verständnis für ihn haben, denn dort gebe es andere Rechte und Ehebruch sei strafbar.

Seine persönliche Vorstellung von einem Leben mit seinen Kindern zerplatzt am 7. September 2011: Ägyptische Polizisten nehmen ihn fest, einen Tag später landet das Flugzeug mit Vater und vier Kindern in Frankfurt.

Er ist seither in Untersuchungshaft, die vier Kinder leben wieder bei der Mutter und ihrem neuen Partner. "Das läuft sehr gut", sagt sie. Die Verhandlung wird fortgesetzt am Dienstag, 31. Januar.