Der christliche Fundamentalist aus Celle wird per internationalem Haftbefehl gesucht. Die Mutter appelliert an Minister Westerwelle.

Hermannsburg. Katja H. lebt in einem Albtraum. Ein Albtraum, der nicht enden will. Am Ostersonntag holte ihr Ex-Mann die vier gemeinsamen Kinder zu einer Fahrradtour ab - und brachte sie nicht wieder zurück. Die Polizei glaubt: Stattdessen flog er am Tag danach mit Jonas, 8, Benjamin, 7, Miriam, 5, und Lisa, 4, nach Ägypten und setzte sich dann in den Sudan ab, ein von Unruhen erschüttertes Land.

Der 37-Jährige aus Hermannsburg bei Celle wird derzeit mit internationalem Haftbefehl gesucht, auch das Auswärtige Amt ist eingeschaltet. Die breit angelegte Fahndung über verschiedene Kanäle, darunter Facebook und Fernsehen, und die gezielte Ansprache von Deutschen im Sudan scheint erste Früchte zu tragen. "Es gibt ernst zu nehmende Hinweise", sagte der Celler Oberstaatsanwalt Lars Janssen. Details könne er aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit jedoch noch nicht mitteilen.

"Ich habe großes Vertrauen in Bundesaußenminister Guido Westerwelle, dass er sich auf diplomatischer Ebene intensiv für meine entführten Kinder Miriam, Lisa, Jonas und Benjamin einsetzt", sagte die Mutter am Freitag. "Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Herr Westerwelle auch während seiner anstehenden Sudan-Reise alles dafür tun wird, dass meine vier Kinder schnell wieder bei mir sind." Am Mittwoch hatte sich die 31-Jährige in der Fernsehsendung "Stern TV" an die Öffentlichkeit gewandt.

Die Mutter besitzt das alleinige Sorgerecht, ihr Ex-Mann Axel H. hatte lediglich ein Besuchsrecht. Nie zuvor habe er gedroht, ihr die Kinder wegzunehmen, heißt es aus dem Umfeld der Familie. Und: Eine solche Tat hat ihm offenbar niemand zugetraut. "Ich habe keine Ahnung, was er dort unten mit den Kindern macht, wie er den Alltag organisiert", sagte die Mutter bei "Stern TV". "Ich frage mich, wie sie an sauberes Essen und sauberes Trinkwasser kommen", so die Mutter weiter.

Axel H. ist christlicher Fundamentalist. Der arbeitslose Krankenpfleger war polizeilich bisher nicht in Erscheinung getreten. Die zunehmende Radikalisierung des 37-Jährigen war auch der Grund für die Trennung des Paares.

Die evangelisch-lutherische Große Kreuzgemeinde in Hermannsburg hat eine Spendenaktion ins Leben gerufen. "Wir wollen die Mutter bei der Suche nach den Kindern unterstützen", sagt Pastor Hans-Heinrich Heine. In dem 6000-Seelen-Ort sind die Menschen erschüttert. Dass sich der vierfache Vater zurückgezogen hatte, fiel auf. Axel H. habe seinen ersten Sohn noch taufen lassen, bei der zweiten Taufe habe man seine Vorbehalte gespürt, kurz danach sei er aus der Kirche ausgetreten. Auch die Kinder im Ort sind erschüttert, soweit sie das Geschehene schon begreifen. "Mein Sohn spielt mit dem ältesten Sohn der Familie Fußball im Verein", sagt der Pastor.

Wie Katja H. geht es Hunderten Eltern in Deutschland, deren Kinder ins Ausland verschleppt wurden. Die Vermisstendatei im Bundeskriminalamt in Wiesbaden zählte am 1. April dieses Jahres 311 im Ausland und 315 im Inland entzogene Kinder. Dass ein deutscher Vater die Kinder ins Ausland bringt, ist jedoch neu. "So einen Fall hat es meines Wissens noch nicht gegeben", sagte Carl Bruns, Mitgründer der "Initiative Vermisste Kinder" in Hamburg.

Meist werden die Kinder Bruns zufolge von den Vätern in deren Heimatländer verschleppt, häufig nach Ägypten oder in den Libanon. "Eine Rückführung auf legalem Weg ist schwer", sagt Bruns. Es gebe Frauen, die mit Privatdetektiven eine Rückentführung organisierten. Blieben die Kinder länger als ein halbes Jahr in der Obhut der Väter, benötigten sie zur Wiedereingewöhnung häufig eine Therapie.

Sollte Axel H. der Prozess gemacht werden, droht ihm wegen Kindesentzugs eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.