Die vier von ihrem Vater aus Niedersachsen verschleppten Kinder sollen nicht mehr im Sudan, sondern wieder in Ägypten sein.

Hermannsburg. Die vier von ihrem Vater aus Niedersachsen nach Nordafrika verschleppten Kinder im Alter von vier bis acht Jahren sollen nicht mehr im Sudan, sondern wieder in Ägypten sein. Nach neuen "ernst zu nehmenden Hinweisen" gehen die Ermittlungsbehörden davon aus, dass der Mann am 19. Mai über Assuan nach Ägypten eingereist ist. Oberstaatsanwalt Lars Janßen sagte gestern in Celle: "Damals sollen die Kinder wohlauf gewesen sein." Über den derzeitigen Aufenthaltsort konnte die Staatsanwaltschaft aber nichts sagen.

Der arbeitslose Krankenpfleger hatte die Kinder am Ostermontag unter einem Vorwand bei seiner Ex-Frau in Hermannsburg abgeholt und war mit ihnen zunächst nach Ägypten geflogen und dann in den Sudan gereist. Dort hatte ihn, wie jetzt bekannt wurde, ein Leser der "Bild"-Zeitung gesehen.

Der Vater, ein christlicher Fundamentalist, hat kein Sorgerecht für die vier Kinder. "Die Mutter freut sich über jeden Hinweis, den es von ihren Kindern gibt und der dabei helfen kann, die Kinder heil nach Deutschland zurückzubringen", sagte ein Bekannter der Familie zu den neuen Spuren.

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Von den vier Kindern aus Niedersachsen, die vom eigenen Vater Richtung Sudan verschleppt worden sind, ist ein erstes Foto aufgetaucht. Leser-Reporter seien am 9. Mai gemeinsam mit den Gesuchten mit einer Fähre von Ägypten in den Sudan gereist und hätten dort einige Tage im selben Hotel gelebt, berichtet die „Bild“-Zeitung. Ein Foto zeigt die beiden vier und fünf Jahre alten vermissten Mädchen in einem Grenzort im Sudan. Nach Angaben der Leser habe der Vater mit den Kindern per Bus weiter in die Hauptstadt Khartum reisen wollen.

„Das ist ein Ermittlungsstand, den die Ermittlungsbehörden schon gehabt haben“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Lüneburg, Lars Janßen. „Das ist ein Baustein, der das Netz weiter stützt, aber keiner, der uns weiter voranbringt.“ Die Zeitung hatte das Bild zuvor der Polizei vorgelegt. „Ja, das sind meine Mädchen“, hatte die Mutter beim Anblick des Fotos laut „Bild“ gesagt.

Der 37 Jahre alte Vater hatte die Kinder am Ostermontag bei seiner Ex-Frau abgeholt – angeblich für eine Fahrradtour. Stattdessen flog er mit Jonas (8), Benjamin (7), Miriam (5) und Lisa (4) nach Ägypten und setzte sich dann in den Sudan ab. Wie die „Bild“-Leser schilderten, sollen die Geschwister sehr zufrieden, aber auch verschüchtert gewirkt haben. Anscheinend habe der Vater ihnen verboten, mit Fremden zu reden.

Polizei sicher: Vater entführte Kinder in den Sudan

Katja H. lebt in einem Albtraum. Ein Albtraum, der nicht enden will. Am Ostersonntag holte ihr Ex-Mann die vier gemeinsamen Kinder zu einer Fahrradtour ab - und brachte sie nicht wieder zurück. Die Polizei glaubt: Stattdessen flog er am Tag danach mit Jonas, 8, Benjamin, 7, Miriam, 5, und Lisa, 4, nach Ägypten und setzte sich dann in den Sudan ab, ein von Unruhen erschüttertes Land.

Der 37-Jährige aus Hermannsburg bei Celle wird derzeit mit internationalem Haftbefehl gesucht, auch das Auswärtige Amt ist eingeschaltet. Die breit angelegte Fahndung über verschiedene Kanäle, darunter Facebook und Fernsehen, und die gezielte Ansprache von Deutschen im Sudan scheint erste Früchte zu tragen. "Es gibt ernst zu nehmende Hinweise", sagte der Celler Oberstaatsanwalt Lars Janssen. Details könne er aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit jedoch noch nicht mitteilen.

"Ich habe großes Vertrauen in Bundesaußenminister Guido Westerwelle, dass er sich auf diplomatischer Ebene intensiv für meine entführten Kinder Miriam, Lisa, Jonas und Benjamin einsetzt", sagte die Mutter am Freitag. "Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Herr Westerwelle auch während seiner anstehenden Sudan-Reise alles dafür tun wird, dass meine vier Kinder schnell wieder bei mir sind." Am Mittwoch hatte sich die 31-Jährige in der Fernsehsendung "Stern TV" an die Öffentlichkeit gewandt.

Die Mutter besitzt das alleinige Sorgerecht, ihr Ex-Mann Axel H. hatte lediglich ein Besuchsrecht. Nie zuvor habe er gedroht, ihr die Kinder wegzunehmen, heißt es aus dem Umfeld der Familie. Und: Eine solche Tat hat ihm offenbar niemand zugetraut. "Ich habe keine Ahnung, was er dort unten mit den Kindern macht, wie er den Alltag organisiert", sagte die Mutter bei "Stern TV". "Ich frage mich, wie sie an sauberes Essen und sauberes Trinkwasser kommen", so die Mutter weiter.

Axel H. ist christlicher Fundamentalist. Der arbeitslose Krankenpfleger war polizeilich bisher nicht in Erscheinung getreten. Die zunehmende Radikalisierung des 37-Jährigen war auch der Grund für die Trennung des Paares.

Die evangelisch-lutherische Große Kreuzgemeinde in Hermannsburg hat eine Spendenaktion ins Leben gerufen. "Wir wollen die Mutter bei der Suche nach den Kindern unterstützen", sagt Pastor Hans-Heinrich Heine. In dem 6000-Seelen-Ort sind die Menschen erschüttert. Dass sich der vierfache Vater zurückgezogen hatte, fiel auf. Axel H. habe seinen ersten Sohn noch taufen lassen, bei der zweiten Taufe habe man seine Vorbehalte gespürt, kurz danach sei er aus der Kirche ausgetreten. Auch die Kinder im Ort sind erschüttert, soweit sie das Geschehene schon begreifen. "Mein Sohn spielt mit dem ältesten Sohn der Familie Fußball im Verein", sagt der Pastor.

Wie Katja H. geht es Hunderten Eltern in Deutschland, deren Kinder ins Ausland verschleppt wurden. Die Vermisstendatei im Bundeskriminalamt in Wiesbaden zählte am 1. April dieses Jahres 311 im Ausland und 315 im Inland entzogene Kinder. Dass ein deutscher Vater die Kinder ins Ausland bringt, ist jedoch neu. "So einen Fall hat es meines Wissens noch nicht gegeben", sagte Carl Bruns, Mitgründer der "Initiative Vermisste Kinder" in Hamburg.

Meist werden die Kinder Bruns zufolge von den Vätern in deren Heimatländer verschleppt, häufig nach Ägypten oder in den Libanon. "Eine Rückführung auf legalem Weg ist schwer", sagt Bruns. Es gebe Frauen, die mit Privatdetektiven eine Rückentführung organisierten. Blieben die Kinder länger als ein halbes Jahr in der Obhut der Väter, benötigten sie zur Wiedereingewöhnung häufig eine Therapie.

Sollte Axel H. der Prozess gemacht werden, droht ihm wegen Kindesentzugs eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

Mit Material von dpa