Ohne das Ehrenamt läge die Altertumskunde am Boden. Schwere Vorwürfe des Grabungsleiters Wilhelm Gebers.

Lüneburg. Einen unscheinbaren Part im Konzert der kommunalen Aufgaben des Landkreises Lüneburg spielt der Denkmalschutz. Er umfasst sowohl Pflege und Erhalt historischer Bauwerke als auch archäologischer Denkmale. Besonders schlimm betroffen ist die archäologische Denkmalpflege; obwohl speziell Grabungen in der Siedlungskammer von Rullstorf seit Jahrzehnten für Aufsehen in der Fachwelt sorgen. "70 Prozent der dort verrichteten Arbeiten wurden ehrenamtlich geleistet", schätzt der Rullstorfer Christian Krohn. Er muss es wissen: Krohn entdeckte und meldete vor 30 Jahren die Fundstelle, begleitet sie seitdem tatkräftig und ehrenamtlich.

Aus dem Notprojekt entwickelte sich eines der bedeutendsten siedlungsarchäologischen Projekte Norddeutschlands. Grabungsleiter war bis zuletzt der Archäologieoberrat Wilhelm Gebers vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege Hannover. Kürzlich in den Ruhestand verabschiedet und von administrativen Zwängen befreit, erhebt der Fachmann nun schwere Vorwürfe gegen die Landespolitik. "Die Archäologie hat man vergessen. Im Besonderen seit die früheren Bezirksregierungen als Mittelinstanz aufgehoben wurden. Zuständig sind nun Kommunen. Ihnen fehlen vielfach die notwendigen Fachkenntnisse und deshalb bleibt die Archäologie auf der Strecke."

Mit der Neuorganisation der Denkmalpflege im Jahr 2005 wurde der Landkreis als Untere Denkmalschutzbehörde einerseits gestärkt, nun unabhängig von der Landesbehörde, nicht jedoch mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Tatsächlich ist für die Denkmalpflege im Haushalt des Landkreises keine Position ausgewiesen. Selbst der vom Landkreis bestellt Kreisarchäologe Dietmar Gehrke arbeitet ehrenamtlich. Andere Landkreise können sich noch hauptamtliche Kreisarchäologen leisten.

Besser gestellt ist es um die Baudenkmalpflege, für die hauptamtlich im Landkreis ein Architekt zuständig ist. "Unsere Haushalte sind ausgelutscht", stellt Landrat Manfred Nahrstedt nüchtern fest. Es bleibe zu überlegen, wie man mit dem Thema umgehe. Nahrstedt handelt stets pragmatisch. Nachdem der Rullstorfer Einsatz Jahrzehnte auf sparsamster Flamme köchelte, bewirkte Nahrstedt persönlicher Einsatz einen wahren Geldregen. 2008 machte das Ministerium für Wissenschaft und Kultur 140 000 Euro locker. "Damit konnten für ein halbes Jahr zehn Leute eingestellt werden, darunter eine Archäologin und ein Grabungstechniker werden", erinnert sich Wilhelm Gebers.

Der Wissenschaftler im Ruhestand ist überzeugt, dass Grabungen wie in Rullstorf zukünftig nicht mehr möglich sein werden. Der finanzielle und personelle Rahmen in der staatlichen Denkmalpflege sei soweit erodiert, dass wichtige Fundstellen fachlich nicht mehr begleitet werden könnten. Selbst Jan-Joost Assendorp, Bezirksarchäologe des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalschutz und Leiter des Teams Lüneburg agiert allein auf weiter Flur. Die Stellen der ihn unterstützenden und jüngst pensionierten Grabungsleiter werden nicht weiter ausgeschrieben.

Assendorps Funktion für die Untere Denkmalschutzbehörde, Gemeinden und Eigentümer ist rein beratend. Gebers: "In der Landespolitik denkt man eher an die Vermarktung der Archäologie in ,Archäologischen Leuchttürmen'". Als Beispiel bietet sich die Himmelscheibe von Nebra an, die erfolgreich von Sachsen-Anhalt vermarktet wird. Ähnliches plant das Land Niedersachsen mit den 400 000 Jahre alten Schöninger Wurfsperren. Die Planungen für den Bau eines Museums am berühmten Fundort laufen auf Hochtouren. Für einen solchen Publikumsmagneten würden ungeheure Summen bereitgestellt, so Gebers: "Die gesetzliche Verpflichtung des Landes für eine flächendeckende archäologische Landesgeschichte Sorge zu tragen, scheint dem Zeitgeist zum Opfer gefallen zu sein."

Auf das große Museum wartet in Lüneburg derweil niemand, sondern auf die Fertigstellung der umfassenden Sanierungs- und Umbaumaßnahmen am Museum für das Fürstentum Lüneburg. Dort werden dann auch bedeutende archäologische Fundstücke aus Rullstorf und dem Landkreis ins rechte Licht gerückt. Bis dahin, so der Landrat, könnten hiesige Exponate in Vitrinen in den Sparkassen-Filialen ausgestellt werden. Dabei denkt er vorzugsweise an die Filialen der Kommunen Amelinghausen und Rullstorf, wo besondere Entdeckungen gemacht wurden.

Auf Zustimmung stößt das Projekt bei Carsten Junge, Bereichsleiter der Sparkasse Lüneburg. Das Geldinstitut zeigt sich seit jeher Kunst und Kultur aufgeschlossen. In das Projekt der Einzelmuseumsförderung im Landkreis investierte es bereits eine halbe Million Euro.