Drei Lüneburger wollen den Stadtteil Kreideberg lebenswert für Jung und Alt machen. Am 7. Juni stellen sie das Projekt allen interessierten Bürgern vor.

Lüneburg. Jörg Stoffregen, Eduard Kolle und Ernst Bögershausen haben einen Plan: Sie möchten den Kreideberg umbauen. Wörtlich und symbolisch. Lüneburgs zweitgrößter Stadtteil soll ein barrierefreies Quartier für alle Generationen werden. Ob das Handicap nun Rollator oder Kinderwagen ist.

In dem Trio trafen sich zwei Seiten, die in diesem Fall dasselbe wollen: Bürger und Politik. Jörg Stoffregen wohnt in dem Stadtteil und merkte bei der Suche nach einer barrierefreien, mittelpreisigen Wohnung für seine Eltern, wie schwierig das eigentlich ist. Eduard Kolle (SPD) und Ernst Bögershausen (Grüne) sind Kommunalpolitiker, die das Generationen-Quartier Kreideberg Ende 2011 zum Bestandteil ihres Gruppenpapiers im Stadtrat gemacht haben.

"Unser Ziel sind nicht bessere Bedingungen in Altersheimen", sagt Bögershausen. "Wir wollen nicht die Menschen zur Hilfe bringen, sondern die Hilfe zu den Menschen. Dass Alte aus gewachsenen Zusammenhängen und ihrer Nachbarschaft gerissen werden, wollen wir vermeiden. Sie sollen dort alt werden und sterben, wo sie wohnen."

Und das ist in diesem Fall der Kreideberg. 7.000 Menschen leben zwischen Liebesgrund und Ochtmissen, Hamburger Straße und Am Wienebütteler Weg. Viele sind mehr als 60 Jahre alt. In Lüneburg leben rund 15.000 Menschen über 60, vor allem in Kaltenmoor und am Kreideberg. "Es geht aber um Handicaps jeder Art", betont Stoffregen. "Das kann auch der Kinderwagen sein. Es geht uns darum, mögliche Probleme aus beiden Perspektiven zu benennen."

Wichtiger noch als bauliche Änderungen ist dem ehemaligen Diakon die Einstellung der Bürger. "Wir bekommen das Problem nur in den Griff, wenn wir generationenübergreifend denken. Den Hilfebedarf werden wir allein aus Fachkräften nicht decken können." Stichwort Nachbarschaftshilfe. Das fängt beim Einkaufen an, geht über die Gartenpflege und hört bei der Hausaufgabenhilfe nicht auf. Das alles gibt es verstreut zwar bereits, ist aber laut Bögershausen noch nicht ausreichend organisiert: "Wir brauchen Kümmerer."

Abgucken wollen sich die Kreideberger einige Aspekte eines Bielefelder Modells, wo es ein ähnliches Projekt seit 20 Jahren gibt. Doch die Lüneburger müssen gar nicht ihre Heimatstadt verlassen, um Anregungen fürs nachbarschaftliche Miteinander zu finden.

Am Bockelsberg ganz im Süden der Stadt funktioniert die "Alltagshilfe Bockelsberg" der Kreuzkirche prächtig: Ehrenamtliche zwischen 20 und 80 Jahren leisten dort Nachbarschaftshilfe für junge Familien und alte Menschen. Und im Geschwister-Scholl-Haus arbeiten mehr als 100 Ehrenamtliche zwischen 14 und rund 70 Jahren, ein neues Projekt dort heißt "Jung und Alt im interkulturellen Dialog" und bringt Menschen verschiedener Nationen und aller Altersstufen zusammen. Beide Projekte werden von der Bürgerstiftung Lüneburg gefördert.

So will auch Bürgermeister Kolle, selbst Kreideberger, kein Senioren-Quartier schaffen: "Wir wollen die Altersstruktur durchmischen. Die Leute sollen nicht länger das Gefühl haben, sie müssten wegziehen, wenn sie älter werden. Das große Ziel ist, dass sich alle wohl fühlen: alt, jung und mittel."

Gehen wollen die drei Initiatoren den Weg mit der Bürgerschaft gemeinsam - und mit den Immobilienbesitzern. Denn sobald Umbauten ins Spiel kommen, um zum Beispiel Wohnungen barrierefrei zu machen, läuft ohne die Eigentümer selbstverständlich nichts.

Die drei großen Wohnungsgesellschaften haben laut Kolle bereits Interesse an einer Zusammenarbeit signalisiert. Ein Problem: Nur die weißen Hochhäuser haben Fahrstühle, die roten Blöcke mit den Wohnungen im Hochparterre nicht. Einen Vorteil wiederum bieten die vielen Bungalows im Stadtteil: Sie sind ebenerdig.

Und obwohl die Infrastruktur am Kreideberg außergewöhnlich gut ist, wird das alles Zeit brauchen, Geld kosten. Verwaltung und Politik wollen daher Städtebaufördermittel einwerben. Mieten müssen schließlich auch nach einer Sanierung bezahlbar bleiben.

Ähnlich wie die Vorstellungen des Kreideberger Trios sind die der Frommestraßen-Wohngemeinschaften von einem gemeinschaftlichen, generationenübergreifenden Leben. Doch Raum dafür sei auf dem Kreideberg nicht, sagt Bögershausen auf Nachfrage: "Vom Ansatz her würde das gut passen. Das Angebot ist aber leider nicht da." Wohnungen sind belegt, und die Wartelisten der Gesellschaften sind lang.

Ziel der drei Initiatoren ist jetzt eine Bürgerbefragung: Was brauchen, was wollen, was wünschen sich die Menschen am Kreideberg, um dort zu leben - ob jung, mittel oder alt? Um zum Mitmachen anzuregen und über ihre Ideen zu informieren, laden sie zu einer Informationsveranstaltung ein: am Donnerstag, 7. Juni, 19.30 Uhr im Gemeindesaal der Paulusgemeinde, Neuhauser Straße 3.