Eltern kämpfen für Lateinunterricht in der sechsten Klasse. Die Oberschule ist eine der wenigen mit gymnasialem Zweig.

Marschacht. Die Ernst-Reinstorf-Schule gehört zu den wenigen Oberschulen im Land, die einen gymnasialen Zweig anbieten. Bisher waren alle zufrieden: Die Schüler der fünften Klasse, deren Eltern und die Lehrer. Doch nun trüben plötzlich dunkle Wolken den Blick auf die verheißungsvolle Zukunft der neuen Schule. "Als wir unsere Kinder im letzten Jahr hier anmeldeten, waren wir fest davon ausgegangen, dass ab der sechsten Klasse Französisch und Latein angeboten werden. Mit Schrecken mussten wir jetzt erfahren, dass im Oberschulgesetz offenbar das Fach Latein nicht vorgesehen ist", sagt Bettina Lohmann, Elternsprecherin der fünften Klasse.

Zwölf der insgesamt 21 Schüler wollen sich für Latein entscheiden, sofern es angeboten wird. Sollte es nicht gelingen, droht der Marschachter Oberschule eine Abwanderung. Denn die dem Latein zugeneigten Schüler werden dann wohl an das Gymnasium Winsen wechseln.

+++ Konkurrenz belebt das Geschäft +++

Aus Sicht der Eltern ist der Unterricht im Fach Latein sehr wichtig. "Für viele von uns war die Aussicht auf Latein eine grundlegende Voraussetzung dafür, unsere Kinder an dieser Schule anzumelden. Wir wissen, dass auch viele Eltern der jetzigen vierten Klasse das genauso sehen", schrieb die Elternvertreterin am 19. März im Namen der Elternschaft an Minister Bernd Althusmann. In dem Brief bitten die Eltern den Minister: "Schaffen Sie gesetzliche Rahmenbedingungen für eine gleichwertige Schulausbildung bis zu zehnten Klasse ... und sogen Sie dafür, dass unserer Kinder die gleichen Chancen haben wie andere Gymnasiasten auch."

Die Schule mit gymnasialem Zweig sei eine tolle neue Schulform für eine ländliche Region wie die Elbmarsch. Eltern und Schulleiter Andreas Franz sind sich einig: "Mit dem Angebot von Französisch und Latein wird sie auf lange Sicht ein großer Erfolg werden. Wir finden, die Schule hat diese Chance verdient. Ohne Latein jedoch wird die Oberschule tatsächlich zum Gymnasium zweiter Klasse."

Neben den Eltern kämpft auch Franz für die zweite Fremdsprache. Er sucht nach Gymnasiallehrern, die zukünftig Latein in Marschacht unterrichten werden. Zahlreiche Fächer in der Sekundarstufe I eines Gymnasiums (Klassen fünf bis zehn) können von Realschullehrern unterrichtet werden. Für Latein gilt das allerdings nicht. Franz steht in Kontakt mit anderen Gymnasien, von denen einige bereits Unterstützung signalisiert haben. Dazu zählt das Gymnasium Salzhausen. "Ich bin hinsichtlich der Lehrerversorgung in einer komfortablen Situation und möchte helfen", sagt Schulleiter Norbert Stüven. Er hat bereits eine Abordnung für zwei Lateinlehrer an die Oberschule Marschacht beantragt. "Allerdings muss das Ministerium grünes Licht geben", so Stüven. Darauf warten alle, denn erst dann folgt die Genehmigung der Schulbehörde.

+++ SPD will Neugründungen von Gesamtschulen erleichtern +++

Die Schulleiter der Gymnasien im Landkreis Harburg warnen vor der Oberschule mit gymnasialem Zweig. In einer gemeinsamen Erklärung aller Oberstudiendirektoren im Kreis heißt es: "An den meisten Standorten im Landkreis Harburg ist die Einrichtung einer Oberschule mit Gymnasialzweig weder nötig, noch sinnvoll. Wir haben ein großes Angebot bewährter Gymnasien und neuerdings auch ein attraktives Gesamtschul-Angebot. Da wäre es falsch, nun eine ganze Reihe Mini-Gesamtschulen oder Zwerg-Gymnasien in Form von Oberschulen mit Gymnasialzweig einzurichten."

Man befürchtet einen "Qualitätsverlust in der gymnasialen Bildung, eine starke Fragmentierung und in der Folge eine erhebliche Kostensteigerung für die Schullandschaft im Landkreis". Der Schulleiter des Gymnasiums Winsen, Reinhard Haun, schrieb im Mai vergangenen Jahres in einem Elternbrief: "Eine Oberschule mit gymnasialem Zweig kann nur ... ein minimales gymnasiales Angebot haben." Wer allerdings in einem strukturschwachen ländlichen Raum lebt, für dessen Kinder kann der gymnasiale Zweig einer Oberschule zum Segen werden.

Für die ablehnende Haltung des Winsener Schulleiters zeigt Bettina Lohmann kein Verständnis: "Wir Eltern wurden bei einer Informationsveranstaltung am Gymnasium Winsen sehr negativ empfangen." Nun kämpfen sie um die zweite Fremdsprache. Dabei ist ihnen die Unterstützung von Norbert Böhlke sicher. Der CDU-Abgeordnete im Niedersächsischen Landtag vertritt den Wahlkreis Seevetal: "Zurzeit läuft ein Prüfverfahren, doch habe ich die Hoffnung, dass unsere guten Argumente überzeugen. Gymnasiasten aus Marschacht sollen eine reelle Chance haben und keine Schüler zweiter Klasse sein."