Schulleiter Andreas Garbers zweifelt an der Leitungsfähigkeit des neuen Systems: Hauptschüler könnten zu kurz kommen, fürchtet er.

Embsen. Mit der politisch gewollten Gründung einer IGS (Integrierten Gesamtschule) in Embsen, ist das Aus für die örtliche Hauptschule beschlossene Sache. Zum Schuljahr 2012/13 nimmt die Bildungsstätte keine weiteren Fünftklässer auf. Diese werden dann Schüler der neu gegründeten IGS. Andreas Garbers, Leiter der noch 220 Schüler zählenden Schule und Befürworter erweiterten, gemeinsamen Lernens, jubiliert nicht über das nahende Ende der Hauptschule. Er befürchtet, dass die anerkannt erfolgreiche und berufsorientierte Arbeit seiner kleinen Schule von einer so großen Einheit wie der IGS nicht weitergeführt werden kann. "Es ist eine emotionale Geschichte, auch weil wir so vieles für die Schüler mit dem Ziel der Verbesserung der Ausbildungsreife entwickelt und auf den Weg gebracht haben."

Garbers erwähnt das bewährte Projekt "Mein Weg in den Beruf", das Schüler ab der sechsten Klasse auf den Einstieg in das Berufsleben vorbereitet sowie die erfolgreich arbeitende Schülerfirmen.

"Im vergangenen Jahrgang haben über 70 Prozent der Schüler einen Ausbildungsplatz gefunden oder sich für weiterführende Schulen wie Realschule oder die Berufseinstiegsschule entschieden", sagt der 56-jährige Schulleiter. "Unsere erfolgreichen Projekte werden zukünftig wahrscheinlich wegfallen. Wünschenswert wäre, dass sie in das Programm der IGS aufgenommen werden." Der Schulleiter vermutet, dass bei der Größe der neuen Schule, die Hauptschüler zu kurz kommen könnten. 150 Schüler wird die neue Schule pro Jahrgang aufnehmen. Wird auf Antrag bei Erreichen der zehnten Klasse die gymnasiale Oberstufe eingerichtet, ist mit 1000 Schülern an der IGS Embsen zu rechnen.

Der Erziehungs- und Unterrichtsauftrag der Hauptschule ist so weitreichend, dass mit dem Verlust der Eigenständigkeit viel verloren gehen wird. Sie und andere Hauptschulen leisten im bundesrepublikanischen Bildungssystem schlicht Herkulesarbeit. Überhaupt ist sie wohl die erste ihrer Art gewesen, die seit Jahren inklusiv arbeitet. Ist sie doch häufig Sammelbecken für Problemkinder. In ihren Klassen sitzen viele Gestrandete, demotivierte und auch verhaltensauffällige Schüler.

"Wer allerdings ihren sozialen Hintergrund kennt, hat Verständnis für die Kinder. Wir kümmern uns intensiv um unserer Schüler und das bis in die Familien hinein. Ich glaube nicht, das eine neue Schule - auch nicht eine IGS - das leisten kann." Dagegen spricht ebenfalls die Größe der Klassen. Hauptschulklassen werden in der Regel ab einer Größe von 27 Schülern geteilt. Der Teiler aller anderen Schulformen liegt durchaus höher.

Vielfach werden von Gymnasien und Realschule verhaltensauffällige und intelligente Schüler in die Hauptschule mit schlechten Noten durchgereicht. Daran wird nach Ansicht von Fachleuten auch die Reform der niedersächsischen Schulstruktur mit Einführung der neuen Oberschule nur wenig verändern.

Diese funktioniert ähnlich einer Kooperativen Gesamtschule. Der Unterricht findet überwiegend in schulzweigspezifischen Klassenverbänden für Real- und Hauptschüler sowie gelegentlich Gymnasiasten statt, wenn die Zahl der Anmeldungen die Eröffnung eines gymnasialen Zweigs erlaubt. Geschaffen wurde sie, weil seit geraumer Zeit den Hauptschulen die Schüler weglaufen. Hinzu kommt der demografische Wandel. Nach den Statistiken des Kultusministeriums sind die Schülerzahlen der sogenannten Restschule um rund 30 Prozent gesunken.

Ziel der Integrierten Gesamtschule (IGS) indes ist die Verlängerung des gemeinsamen Lernens und die Verbesserung der sozialen Kompetenzen. Zusätzlich sollen die Schüler in ihrem individuellen Leistungsvermögen unterrichtet und vor allem gefördert werden. In der IGS werden alle Kinder eines Jahrgangs mit Haupt-, Real- und Gymnasialempfehlung gemeinsam unterrichtet. Die IGS allerdings ist von der schwarz-gelben Landesregierung nicht gern gesehen.

Schulleiter Garbers befürwortet das gemeinsame Lernen an Schulen, so wie es seit jeher an Grundschulen geschieht. "Die Hauptschule jedoch ist systematisch kaputt geredet worden. Früher wurde diese Schulform von 60 Prozent der Schüler angewählt, heute sind es 16 bis 18 Prozent. Auch sind die Eltern nach wie vor extrem leistungsorientiert und fast alle von ihnen wünschen sich, dass ihre Kinder Abitur machen."

Bildungsforscherin Heike Solga steht dieser Forderung kritisch gegenüber: "Es reicht nicht aus, die Real- und Hauptschulen einfach nur zusammenzulegen. Vielmehr muss sich in Zukunft grundsätzlich etwas an der Grundphilosophie des Aussortierens im deutschen Bildungssystem ändern. Trotz vielfacher Kritik: Das Konzept der Hauptschule kann durchaus funktionieren. Das zeigen einzelne Schulen, die dank enger Kontakte zur Wirtschaft und früher Praktika fast alle ihre Schüler nach dem Abschluss in einer Lehrstelle unterbringen."