Markus Schümann, Geschäftsführer der Stadtwerke Uelzen, spricht über den Erfolg seines Unternehmens und Entwicklungschancen.

Uelzen. Auf eine Empfangsdame verzichten die Stadtwerke Uelzen, die unter dem Namen "mycity" Strom, Gas und Wasser verkaufen. Das spart Geld. Geld, das das traditionsreiche Unternehmen lieber in die eigene Entwicklung steckt. Auf eine Krawatte verzichtet der Geschäftsführer Markus Schümann. Das macht locker, auch im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt.

Hamburger Abendblatt: Bei einer Debatte über kommunale Pflichten bei der Energiewende an der Leuphana Universität sagte Lüneburgs Stadtrat Markus Moßmann jüngst, der Rückkauf der Netze sei für Lüneburg derzeit kein Thema. Uelzen hat seine Stadtwerke gar nicht erst verkauft. Warum?

Markus Schümann: Die Liberalisierung des Energiemarkts zur Jahrtausendwende hat alle Beteiligten in Panik versetzt, und viele Kommunen hörten auf die großen Unternehmen, Stadtwerke seien nicht zukunftsfähig. Auch hier hat es eine Reihe Übernahmeversuche gegeben, etwa von E.on, zwischen Politik und Verwaltung hat aber immer Einvernehmen bestanden, eigene Stadtwerke halten zu wollen.

Wie können Sie gegen die Energieriesen und deren Marktmacht bestehen?

Schümann: Unser Wettbewerbsvorteil ist die hohe Geschwindigkeit bei der Entwicklung und bei der Anpassung an Märkte. Damit haben die Großen erhebliche Schwierigkeiten. Wir engagieren uns außerdem in diversen Partnerschaften sowie der Norddeutschen Allianz, einer Kooperation norddeutscher Energieversorger.

Was macht Stadtwerke im Gegensatz zu börsennotierten Anbietern aus?

Schümann: Unsere Kunden wissen, sie können uns vertrauen. Was wir erwirtschaften, bleibt hier, zum Beispiel indem wir soziale oder kulturelle Projekte fördern. Wir befriedigen keine fremden Interessen von Anteilseignern. In der Stadt Uelzen decken wir rund 80 Prozent der Haushalte ab, wir können aber Kunden in ganz Deutschland beliefern - und haben auch viele in Lüneburg. Stadtwerke sehen sich außerdem als Servicegesellschaft für Bürger, die sich selbst mit Energie versorgen möchten, und nicht als Energieproduktions-Monopolisten. Sie dienen nicht zum Reichwerden, sondern als Steuerungsinstrument.

Lüneburg selbst mit seiner Verwaltungsspitze und Mehrheit im Rat ist gegen den Betrieb eigener Stadtwerke. Können Sie das verstehen?

Schümann: Nein, überhaupt nicht. Lüneburg besitzt ideale Bedingungen für Stadtwerke, sowohl was die Größe als auch was die Einwohnerstruktur angeht. Die Stadt ist jung, das Fundament ist da. Stadtwerke könnten in Lüneburg wirtschaftlich sehr erfolgreich sein. Ich bedaure sehr, wenn Städte dieser Struktur sich scheuen, diese Schritte zur kommunalen Daseinsvorsorge zu gehen. Gerade in Lüneburg könnte ein positiver Schneeballeffekt entstehen.

Die Lüneburger SPD und Verwaltung argumentieren mit den hohen Investitionskosten für den Rückkauf der Netze.

Schümann: Natürlich ist das ein Problem. Wir haben 2006 einen Teil der Netze im Landkreis Uelzen gekauft und prozessieren noch immer um den Kaufpreis. In der zweiten Jahreshälfte rechnen wir mit einem Urteil des Landgerichts Hannover, auf das die gesamte Branche schauen wird. Denn die großen Konzerne tun alles dafür, die Netze nicht verkaufen zu müssen. Aber es gibt Lösungen und Instrumentarien.

Lüneburg sagt, die notwendigen Millionen nicht aufbringen zu können.

Schümann: Wenn ihnen die Finanzierungsmöglichkeiten fehlen, können wir helfen, das zu organisieren. Es gibt ein ganzes Bündel an Möglichkeiten, etwa Bürgerbeteiligungsmodelle und kommunale Anleihen. Besonders in Zeiten nervöser Finanzmärkte ist das interessant. Ich kenne eine Menge Banken und Investoren, die ein solches Projekt mit umsetzen würden.

+++ Stadtwerke Uelzen betreiben auch Bäder und Busse +++

Stehen Städte mit ihren Plänen dann nicht doch allein da?

Schümann: Nein, wir und zahlreiche andere Unternehmungen, etwa aus der Norddeutschen Allianz, unterstützen grundsätzlich gern und überall dabei. Eine Netzübernahme muss gut strukturiert werden, man muss die Menschen mitnehmen und tatsächlich etwas anders machen wollen. Es gibt Portfolio- und Risikomanagementsysteme.

Die Lüneburg argumentieren mit Preisrisiken am Weltmarkt.

Schümann: Preisrisiken sind zwar eine Riesenherausforderung, aber auch dafür gibt es Instrumente, sie beherrschbar zu machen.

In Lüneburg ist ein Regionalwerk geplant, an dem auch E.on-Avacon beteiligt sein wird. Die SPD nennt das Unternehmen "gemeindenah". Wie sehen Sie das?

Schümann: Anders. Es gibt widerstrebende Interessen zwischen Unternehmen wie jenen und uns. Wir sind zum Beispiel in der Energiebeschaffung frei und fühlen uns nicht einem Konzern verpflichtet. Die Position der SPD in Niedersachsen dazu ist ebenfalls eine andere: Sie will Stadtwerke stärken, ihr Spitzenkandidat Stephan Weil ist Vorsitzender des Verbands kommunaler Unternehmen.

Welche Fehler haben Ihre Stadtwerke gemacht? War es richtig, 2007 Tausende Hektar in der Ukraine für den Rapsanbau für Ihr Ölkraftwerk zu pachten?

Schümann: Einen Lernerfolg erzielt man nur, wenn man sich auch mal die Hände verbrennt. Wir waren davon ausgegangen, die Ukraine würde auf lange Sicht EU-Mitglied werden. Trotzdem glauben wir, dass die Investition doch noch erfolgreich werden wird.

Welche Projekte verfolgen Sie derzeit?

Schümann: Wir bauen bis Juni einen Zwei-Megawatt-Photovoltaikpark in Uelzen, mit Partnern einen Offshorewindpark vor Borkum, planen weitere Blockheizkraftwerke in Uelzen und testen im Zuge eines Pilotprojekts einen Prototyp für ein Mikro-Blockheizkraftwerk für einzelne Haushalte. Wir beteiligen uns außerdem mit vielen Partnern an einem vom Wirtschaftsministerium geförderten Leuchtturmprojekt mit dem Ziel intelligenter Steuerung von Netzen und Anlagen sowie einem Projekt der Leuphana Universität Lüneburg zur Erzeugung, Speicherung und Vermarktung Erneuerbarer Energien. Unser Ziel ist, in 15 Jahren energieautark zu sein.

Wohin geht Ihrer Meinung nach der Trend bei der Entwicklung von Energie-Unternehmen?

Schümann: Zurück in die Hände der Kommunen. Wir haben auch ,Hamburg Energie' bei der Gründung unterstützt, dort war die Vattenfall-Zeit für die Stadt ein Desaster, die Zerschlagung der Hamburgischen Electricitätswerke HEW traurig. Auch Berlin will Teile seiner Wasserwerke zurückkaufen. Und in Kiel wird der Verkauf der Stadtwerks-Anteile mittlerweile als großer Fehler gesehen. Die Energiewende wird Geld kosten, das muss jedem klar sein. Gerade kommunale Unternehmen sind daher aufgerufen, eine besondere Arbeit als Vorreiter zu leisten.