Zerstörte Skulpturen und Steinpoller wurden von Künstlern restauriert. Die Wasserviertel-Initiative zeigt außerdem Fotos von Bürgern des Viertels.

Lüneburg. Sie waren beschädigt, zerstört oder verschwunden: Die 29 Kunst-Steinpoller an der Baumstraße im Wasserviertel haben in den vergangenen Jahren unter Radalierern gelitten. Die Initiatoren des einstigen Verschönerungsprojekts haben jetzt noch einmal zum Werkzeug gegriffen und die kleinen Kunstwerke restauriert - und die schöne neue Meile mit einem Straßenfest gemeinsam mit dem Verein Wasserviertel-Initiative am Sonnabend gefeiert.

Der Anblick der Straße sei ihm einfach zu trist gewesen, erzählt Gero Bra eutigam, der in dem denkmalgeschützten Haus Baumstraße Nummer 3 lebt. "Es gibt ein paar schöne Fachwerkfassaden, aber unten endet die Straße im Zwanziger-Jahre-Fabrikstil. Das war mir zu tot, monoton." Also trommelte der Künstler Kollegen zusammen, und zu zehnt kreierten sie im Jahr 2006 die Lüneburger "Steinmeile".

Aus Steinpollern machten Anne Busch, Manfred Kern, Sonja Neuman, Klaus Peters, Brigitte Igel von Schenck, Inge Schulz-Winter, Till Stetzler, Ludwig Vöpel, Willi M. Westphal und Gero Braeutigam Kunstobjekte: zum Beispiel den "Wappenvogel", das "Rad der Arbeit", die "Oberfläche Verschönerung", die "Reichsbahn", das "Standbein", "Turm", "König", "Springer", "Stierkopf", "Hahn" oder "Kopf-Stein-Pflaster" - am Wegesrand gelegen, zum Betrachten und Freuen im Alltag. Und draußen.

Doch was draußen steht, lebt gefährlich. Braeutigams rot-schwarz lackierte Holzskulptur "Der Mondmann" zum Beispiel ist immer wieder verbogen worden, in einen Stein eingelassene Scheiben wurden wohl Opfer eines Crashs mit einem Autoanhänger, Hunderte bunte Mosaik-Steinchen aus Muranoglas waren weg oder kaputt, die kleine Salzsau wurde geklaut, der König verlor seine Krone an einen Dieb und der Marabu seinen Kopf.

Die ersten Steine waren schon nach zwei Jahren herausgerissen, erzählt Gero Braeutigam, drei Jahre lang aber haben die Künstler die Situation belassen, wie sie ist. Dann entschied ein kleiner Kreis: Wir restaurieren. Und ersetzen. Fast 5000 Euro, schätzt Braeutigam, hat der Verein Art Projekt Lüneburg in die Wiederherstellung der Steinmeile investiert - Arbeitsstunden exklusive. "Wir haben vorfinanziert und hoffen auf Spenden."

Die Resonanz auf ihre Freiluft-Kunst indes freut die Initiatoren von damals. Willi M. Westphal sagt: "Wenn Kindergartengruppen oder Schulklassen durch die Straßen gehen und die Kinder sich für die Skulpturen interessieren, ist das immer schön. Die Jugend an die Kunst heranzuführen, sie das Sehen zu lehren - mehr können wir doch gar nicht erwarten."

Für das Straßenfest anlässlich der wiederbelebten Steinmeile haben sich die Künstler mit dem Verein Wasserviertel-Initiative zusammengetan. Denn der hatte auch etwas zu feiern: die Erweiterung seiner Ausstellung "Menschen im Viertel". Vor zwei Jahren startete der seit 2009 bestehende Verein das Projekt als Test. "Und der war erfolgreich", sagt Ralf Friedrich aus dem Vorstand, selbst Anwohner der Baumstraße. Vier große Fotos von Bürgern aus dem Viertel hängte der Verein damals in der Koltmannstraße auf - ebenfalls draußen, an den Hauswänden der damaligen Bewohner. "Wir wollen die Geschichten hinter den Gebäuden zeigen, Menschen wie du und ich. Die Bilder sind nicht beschädigt worden, sie genießen wohl Welpenschutz", sagt Friedrich.

Jetzt hat die Initiative vier neue historische Fotos vergrößern und laminieren lassen. Das alte Wirtsehepaar Martens wird künftig an der Stelle ihrer einstigen Kneipe an der Ecke Baumstraße/Im Wendischen Dorfe hängen, Siegfried Stein vom einstigen Düngemittelhandel wird an seinem ehemaligen Geschäft Im Wendischen Dorfe Ecke Lüner Straße verewigt, und Heinrich Luhmann, Großvater des heutigen Antiquariatsbesitzers Luhmann (ein Nachkomme des Soziologen Niklas Luhmann), wird an der Fassade seiner ehemaligen Brauerei - der jetzigen Kneipe "Pons" - an der Salzstraße am Wasser hängen. Wilhelm Vornekahl, Urgroßvater des heutigen Bremer-Hof-Besitzers, kommt an die Fassade des einstigen Ausspanns "Vornekahls Gasthaus" und heutigen Hotels an der Lüner Straße.

Das Material für die Bilder hat die Stadt bezahlt, den Rest trägt der Verein. "Wir werden weitermachen und dafür Spenden sammeln", sagt Ralf Friedrich schon jetzt, denn ausreichend interessante Geschichten gibt es im bunten Wasserviertel allemal. "Wir wollen auch weiter Straßenfeste oder ähnliches feiern, um die Leute im Viertel einander näher zu bringen. Verkleidete Auftritte in historischen Kostümen allerdings machen wir nicht, denn wir wollen nicht die westliche Altstadt kopieren."