Ab sofort führen Ehrenamtliche in den Glockenturm - Blick über die Altstadt inklusive. Landessuperintendent Rathing war zu Besuch.

Lüneburg. Ob es nun niedersachsen-, norddeutschland- oder deutschlandweit einmalig ist, das weiß keiner so recht. Klar ist aber: Mit ihrem Glockengeläut beherbergt die Gemeinde St. Michaelis in ihrer Altstadtkirche einen wahren Schatz. Und den durfte am Mittwoch Landessuperintendent Dieter Rathing bei seiner ersten Tour durch den Kirchenkreis Lüneburg auch besichtigen.

Für Besucher ansonsten geschlossen, stapfte am Morgen eine kleine Gruppe Gemeindevertreter mit Lüneburgs Superintendentin Christine Schmid und ihrem Gast die vielen Stufen der Wendeltreppen und Leitern hoch hinauf bis in die luftige Haube des Turms, der Ende des 18. Jahrhunderts auf den bisherigen Turm aus dem 15. Jahrhunderts gesetzt worden war.

Auf halber Strecke kam das Grüppchen im Glockenstuhl an. Dort hängt die älteste Glocke Lüneburgs von 1200. Die bereits in der Vorgängerkirche der heutigen St. Michaelis auf dem Kalkberg geläutet hatte. Das Besondere: Sie und acht andere Glocken sind spielbar. Und zwar nicht nur elektrisch per Knopfdruck als großes Geläut vor dem Gottesdienst, sondern auch einzeln per Hand.

1418 ist St. Michaelis geweiht worden. Pastor Olaf Ideker-Harr lud Dieter Rathing daher schon mal für 2018 nach Lüneburg ein - zum Jubiläum 600 Jahre Kirchweihe. Im Terminplan des Landessuperintendenten spricht nichts dagegen. 500 Jahre Reformation im Luther-Jahr 2017 sind dann schließlich zu Ende gefeiert.

Und vermutlich werden sich dann deutlich mehr Besucher als üblich zu Lüneburgs Altstadtkirche aufmachen. Nicht an den Hauptachsen der Touristen gelegen wie St. Nicolai und St. Johannis, wird St. Michaelis von Gästen in der Regel bislang nur sehr gezielt angesteuert, sagt Pastor Olaf Ideker-Harr. "Die meisten kommen ganz bewusst. Das freut uns, denn das ist eine große Bereicherung. Was wir dafür brauchen, sind ehrenamtliche Kirchenwachen, gerade im Sommer."

Weit mehr Besucher als St. Michaelis zählt St. Johannis Am Sande. Weit mehr Aufwand und Arbeit macht der Aspekt Tourismus der Gemeinde daher. "Das ist auch ein Konflikt", sagt Superintendentin Christine Schmid. "Denn wir sind personell und finanziell nicht für diesen Aufgabenbereich ausgestattet und bekommen dafür kein Geld von der Landeskirche. Die Gemeinden müssen daher kreativ sein. Wir sprechen auch mit der Marketing GmbH darüber, wie unsere Unkosten etwa bei Führungen gedeckt werden können."

Historische Kirchen sind heute beides: Ort der Seelsorge, des Glaubens - und der Kunst, der Kultur, des Tourismus. "Es ist faszinierend, dass alle drei Lüneburger Innenstadtkirchen beides sind", sagt Schmid. "Sie sind offen für alle, die Einkehr suchen, und haben gleichzeitig große, starke, lebendige Gemeinden mit einer umfassenden Kirchenmusik. Besucher und Gäste sind das zweite wichtige Standbein. Und es ist eine wichtige Aufgabe der Gemeinden, ihre Kirchen zu öffnen und ihren Schatz zu eröffnen. Denn Kirchen sind ganz besondere Räume - die eben nicht zum Arbeiten, Einkaufen oder Wohnen da sind. Gleichzeitig sind sie aber auch keine Museen."

Glaube und Kultur ist denn auch gar nicht zu trennen, sagt Dieter Rathing. "Ich werde demütig, wenn ich daran denke, dass wir heute immer noch von der spirituellen Kraft des 13. und 14. Jahrhunderts leben. Und ich denke, den Besuchern wird es genauso gehen, wenn sie eine Kirche betreten. Sie kommen zwar als Touristen, aber bei den wenigsten wird das reine Kunstinteresse dahinterstehen." Rathing denkt auch, dass die Gemeinden die zusätzlichen Aufgaben schultern können: "Es gibt überall Menschen, die diese Aufgabe als Ehrenamt für sich entdecken und auch stolz sind, ihre Kirche Gästen zu zeigen."

Der Besuch einer Kirche bleibe für fast niemanden denn auch die bloße Besichtigung von Kunstgegenständen und Bauwerken, ist sich Christine Schmid sicher: "Manch einer kommt vielleicht in erster Linie als Kunstinteressierter - und nimmt am Ende trotzdem das spirituelle Erlebnis mit."

Wer St. Michaelis nicht nur alleine erleben und mehr über die Geschichte und Symbolik des Gotteshauses erfahren möchte, kann das neue Angebot der Gemeinde in Anspruch nehmen: Seit Anfang Mai bieten Ehrenamtliche an jedem Montag eine Führung durch die Kirche an. Beginn des Rundgangs ist immer um 16 Uhr.