Das endgültige Aus für das Atomkraftwerk Krümmel sorgt für Erleichterung in der Region. Die Elbmarsch hofft jetzt auf einen Entwicklungsschub.

Lüneburg/Tespe. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) verkündete in der Nacht auf Montag den Fahrplan der Bundesregierung für den Atomausstieg. Die letzten deutschen Meiler sollen spätestens Ende 2022 vom Netz gehen und der Pannenreaktor Krümmel bleibt für immer abgeschaltet, so das Ergebnis eines siebenstündigen Gespräches im Berliner Kanzleramt. Die Entscheidung der Bundesregierung über das Aus für Krümmel sorgte in den Kreisen Lüneburg und Harburg für ein freudiges Erwachen am Montagmorgen. "Das ist für Tespe wie ein Sechser im Lotto", sagte etwa Bürgermeister Karl-Heinz Kornberger (CDU).

Krümmel habe die Entwicklung in dem Ort, der dem Kraftwerk auf der anderen Seite der Elbe direkt gegenüberliegt, gehemmt. "Während die Nachbargemeinden Bauplätze ohne Probleme verkauften, blieben wir auf unseren sitzen", so der Bürgermeister. Fremde habe es in den vergangenen 20 Jahren kaum nach Tespe gezogen. "Weil jedes Mal, wenn Krümmel wieder in die Schlagzeilen geriet, Tespe negativ mit hineingezogen wurde."

Anlass für die Medien, über das Kernkraftwerk zu berichten, gab es viele. Seit 1990 stand der Reaktor immer wieder im Verdacht, eine mögliche Ursache für die weltweit höchste Leukämierate bei Kindern zu sein. Eine wissenschaftliche Aufklärung hat es bis heute nicht gegeben. Außerdem riss die Pannenserie an dem Meiler nicht ab.

Kornberger: "Jetzt brauchen die Menschen keine Angst mehr vor einem Super-GAU zu haben." Detlef Spremberg, stellvertretender Verwaltungschef der Samtgemeinde Elbmarsch, sagt, die Stilllegung sei Lichtblick und Fortschritt: "Es ergeben sich jetzt neue Entwicklungspotenziale für die Elbmarsch als attraktiven Wohnort."

Auch Uwe Harden, SPD-Bürgermeister in Drage, ist erleichtert. "Das Schrecken hat ein Ende. Wir hatten lange Angst um unsere Kinder", sagt er. Harden saß für die SPD im niedersächsischen Landtag und führte unter anderem dort den politischen Kampf um die Aufklärung der Leukämie in der Elbmarsch und das Aus für Krümmel. "Inzwischen wissen wir, dass schon der Normalbetrieb eines Atomkraftwerkes Leukämie bei Kindern auslösen kann." Doch den Normalbetrieb wird es nun nicht mehr geben. Harden: "Der Abbau des Kraftwerkes wird jedoch sehr lange dauern, denn alles in ihm ist hochradioaktiv kontaminiert."

Sabine Brosowski aus Marschacht, Vorsitzende der Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch, freut sich ebenfalls. "Ein Risikofaktor für die Kinderleukämie ist jetzt verschwunden. Das ist die beste Nachricht seit langer Zeit", sagt sie. Dass die Erkenntnis, aus der Atomenergie auszusteigen, erst durch die Katastrophe in Fukushima reifte, bleibe ihr aber unverständlich. "Spätestens seit Tschernobyl hat doch jeder die Gefahren gekannt."

Lüneburgs Erster Kreistag Jürgen Krumböhmer sagt: "Schon lange vor der Katastrophe von Fukushima hat der Landkreis in Resolutionen gefordert, Krümmel weiterhin abgeschaltet zu lassen." Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) sieht in der Entscheidung eine gute Nachricht für die Sicherheit der Bürger: "Ein so alter und pannenanfälliger Meiler wie Krümmel quasi direkt vor der Haustür hat vielen Menschen in Lüneburg zu Recht Angst gemacht. Sie hat sich widergespiegelt im starken und dauerhaften Engagement von Bürgerinitiativen."

Von einer schönen Nachricht für die gesamte Region spricht Franz-Josef Kamp, SPD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag. "Sicherlich hat der Widerstand im politischen Bereich dazu beigetragen. Die Stilllegung zeigt auch, dass unsere Stimmen gehört wurden", so Kamp. Meinhard Perschel, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU, befürwortet das Aus: "Jahrelang hat der Betreiber Vattenfall nicht in den Griff bekommen, die Mängel zu beheben. Wenn man jetzt aussteigt, ist es nur folgerichtig." FDP-Frau Karin Zimmermann warnt indes: "Der Reaktor ist noch lange nicht ungefährlich. Es geht jetzt um die Entsorgung und die ist immer noch nicht gelöst."

Die Abschaltung des Pannenreaktors, der seit 2007 still steht, war überfällig, sagt die grüne Kreistags- und Landtagsabgeordnete Miriam Staudte. Nicht zuletzt die Leukämiefälle in der Elbmarsch hätten den Schritt gefordert. "Wir danken allen Anti-Atomkraft-Initiativen für deren starke Proteste, die sie um Krümmel organisiert haben."

Dirk Werner, Sprecher des Lüneburger Aktionsbündnisses gegen Atom, sagt: "Wir sind erst mal froh. Wäre Krümmel wieder ans Netz gegangen, wären die Widerstände zu groß geworden." Jetzt müsse die Entscheidung aber auch ins Gesetz geschrieben und unumkehrbar werden, fordert er: "Das muss die Politik schaffen, damit sie glaubwürdig bleibt."

Andreas Meihsies, Fraktionschef der Grünen im Stadtrat, findet die Entscheidung nur konsequent. "Die Anti-Atom-Bewegung kann sich das auf ihre Fahnen schreiben. Ohne den großen Protest hätte die Merkel-Regierung diesen Schritt niemals gemacht."

Heiko Dörbaum, Sprecher der SPD/CDU-Gruppe im Rat, sieht die Entscheidung ebenfalls absolut positiv: "Jetzt warte ich noch auf weitere gute Nachrichten in Bezug auf Gorleben." Malte Riechey, Fraktionsvorsitzender der Linken, knüpft an seine positive Reaktion gleich noch eine Forderung: "Spätestens 2014 muss das letzte AKW vom Netz gehen."

Er sei einfach nur sehr froh, so der Landtagsabgeordnete André Wiese (CDU) aus Winsen: "Auch wenn in Krümmel nun Arbeitsplätze wegfallen, bin ich erleichtert über die Entscheidung." Winsens Bürgermeisterin Angelika Bode (parteilos) erinnert daran, dass der Stadtrat sich schon vor Fukushima in zwei Resolutionen gegen weiteren Betrieb von Krümmel ausgesprochen habe: "Dass dieser Pannenreaktor jetzt zu den ersten Anlagen zählt, für die der Atomausstieg greift, freut mich daher sehr", erklärte sie.