Schwarzenbek. Kneipen bereiten sich aufs letzte Saisonspiel des HSV vor. Doch ist der direkte Aufstieg überhaupt im Interesse der Gastronomen?

So spannend war es lange nicht mehr: Nur einen einzigen Sieg ist der Hamburger SV als Tabellendritter der 2. Fußballbundesliga vom Wiederaufstieg in die Fußballbundesliga entfernt. Allerdings: Die Hanseaten können es nicht aus eigener Kraft schaffen. Sollten sie ihr letztes Spiel am Sonntag beim Tabellenletzten SV Sandhausen (15.30 Uhr) gewinnen, sind sie zusätzlich davon abhängig, dass der Tabellenzweite 1. FC Heidenheim seine letzte Partie beim ebenfalls so gut wie abgestiegenen Klub Jahn Regensburg nicht gewinnt.

Doch das ist unwahrscheinlich: In Regensburg ist das Team in Auflösung begriffen. Gerade haben sie den Sportchef rausgeschmissen. Sollte es dem HSV somit also nicht gelingen, die Heidenheimer in der Tabelle noch zu überholen, muss der HSV als Dritter in die Relegationsspiele gegen den Drittletzten der 1. Bundesliga.

In Hin- und Rückspiel ginge es dann gegen den VfB Stuttgart, VfL Bochum oder FC Schalke 04. Im vergangenen Jahr stand der HSV schon einmal in der Relegation, gewann damals das Hinspiel bei Hertha BSC Berlin mit 1:0, verlor jedoch im Rückspiel mit 0:2 und musste in der 2. Liga bleiben.

HSV: Der Aufstieg zum Greifen nah – hier feiern die Fans

Somit schlagen also zwei Herzen in der Brust von Hardy Schümann, dem Wirt der Fußballkneipe Schwarzenbeker Perle in der Einkaufszeile „Passage“ von Immobilienbesitzer Andreas Ellermann: Das Herz des glühenden HSV-Fans und das Herz des Geschäftsmanns. Denn zwei Relegationsspiele hießen zwei weitere lukrative Public-Viewing-Termine. Allerdings wäre das eine extreme Nervenprobe für die Fans – und letztlich auch für Hardy (60) und Claudia (54) Schümann.

Die Mitglieder des OFC Schwarzenbek, offizieller Fanclub des HSV, fiebern dem Aufstiegskampf
Die Mitglieder des OFC Schwarzenbek, offizieller Fanclub des HSV, fiebern dem Aufstiegskampf "ihrer Rothosen" gegen den SV Sandhausen entgegen. © Denise Ariaane Funke | Denise Ariaane Funke

Mindestens 30 Gäste erwarten die beiden Schwarzenbeker am Sonntag zum Schicksalsspiel. Claudia arbeitet seit einem Jahr in der Gaststätte, Hardy war bislang Stammgast. Als Inhaber Uwe Wild die Bar verkaufen wollte, schlugen die beiden zu. Uwe Wild hatte die Perle vor sechs Jahren gegründet, nachdem er früher Wirt des Vereinsheims vom SC Schwarzenbek gewesen war, bis dieses abbrannte.

Wenn der HSV mal wieder verliert, fließen schon mal Tränen

Die Perle sollte in jedem Fall in Schwarzenbeker Besitz bleiben und vor allem von einem waschechten Fußballfan betrieben werden. Deshalb machte das Ehepaar Schümann den Traum von der eigenen Kneipe wahr. Allerdings nur als Nebenjob. Hardy Schümann arbeitet hauptberuflich weiter bei einem Schiffsausrüster in Hamburg. Die Öffnungszeiten der Perle variieren und hängen stark vom Spielplan der Bundesliga ab.

Die meisten Besucher sind HSV-Fans. „Es kommen aber auch Anhänger von St. Pauli, Bayern München und sogar von Werder Bremen. Alle sind friedlich. Allerdings fließen bei Hardcore-Fans auch schon mal Tränen, gerade wenn der HSV wieder verliert“, sagt der 60-Jährige. „Wir haben vor einiger Zeit damit angefangen, den Gästen Schnaps zu spendieren, wenn der HSV ein Tor schießt. Seitdem flutscht es bei unserem Verein wieder“, erzählt Claudia Schümann. „Beim 6:1 gegen Hannover kam ich kaum mit dem Nachschenken hinterher“, ergänzt Hardy Schümann. Für jedes HSV-Tor gibt es übrigens blauen Oldesloer Blue Ice.

Hier feiern die HSV-Fans mit Schnaps, Bier und Nackensteaks vom Grill

Außer Schnaps und Bier gibts bei den Spielen Wurst und Nackensteaks vom Grill. Und reichlich Stimmung. Denn die Spiele laufen über drei im Schankraum verteilte große Bildschirme. Auf dem kleineren Fernseher über dem Kühlschrank hinter der Bar läuft die Konferenzschaltung mit allen aktuellen Ergebnissen der Liga. Das Lokal in der Schmiedestraße 9 empfängt seine Gäste am Sonntag ab 14 Uhr.

Hardy und Claudia Schümann freuen sich auf viele Gäste in der Schwarzenbeker Perle zum HSV- Spiel am Sonntag.
Hardy und Claudia Schümann freuen sich auf viele Gäste in der Schwarzenbeker Perle zum HSV- Spiel am Sonntag. © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

Wer nicht nach Schwarzenbek möchte, hat in der Region noch andere Möglichkeiten, den Aufstiegskampf der „Rothosen“ gemeinsam mit Freunden oder anderen Fans zu verfolgen. Tatsächlich zeigen etliche Restaurants, Kneipen und Bars das Spiel live. Hier eine Auswahl: Pröppers Sportsbar in Büchen überträgt alle HSV-Spiele live – natürlich auch die Schicksalspartie gegen Sandhausen. Für jedes Tor der Hamburger gibt es hier – genau wie in der Schwarzenbeker Perle – eine Runde Schnaps aufs Haus. Neben vielen weiteren Getränken stehen auch Klassiker wie Currywurst oder Chicken Nuggets auf der Speisekarte. Die Bar in der Möllner Straße 61 in Büchen öffnet am Sonntag um 12. Uhr.

Gaststätten bitten zum Public-Viewing auf Großbildfernsehern und Leinwänden

Bei Nikos Treff in Bergedorf wird dem Sonntag ebenfalls schon entgegengefiebert. „Wir drücken dem HSV die Daumen und hoffen, dass der direkte Aufstieg gelingt, und dann wird richtig gefeiert!“, sagt Wirt Niko hoffnungsvoll. Hier ist man sogar Fan beider Hamburger Zweitligavereine. Alle Spiele des 34. Spieltages der zweiten Bundesliga werden am Sonntag, 28. Mai, in der Fußballkneipe übertragen. Auch die Begegnung des Tabellenvierten 1. FC St. Pauli, der an diesem Tag auf den Karlsruher SC trifft, aber auch bei einem Sieg keine Chance hat, am HSV vorbeizuziehen. Nikos Treff, Reetwerder 9, öffnet am Sonntag um 12. Uhr.

Einen klaren Favoriten haben die Gäste der time-out-Sportsbar der TSG in Bergedorf. Dem HSV würden alle Daumen gedrückt, heißt es dort. Für jedes Tor der Hamburger bekommen die Gäste den besonderen „TSG-Schnaps“ auf Kosten des Hauses. Übertragen wird das Spiel nicht etwa auf einem kleinen Fernseher, sondern auf einer Großleinwand. Die Gastronomie im TSG-Sportforum am Billwerder Billdeich öffnet am Sonntag um 13.30 Uhr.

Viele Fans feiern mit Freunden oder Nachbarn private Fußball-Partys

Viele Fans werden „ihrem Team“ aber im privaten Rahmen die Daumen drücken – da Großbildfernseher und Beamer weit verbreitet sind, gibt es mit Sicherheit zahlreiche kleine „Public Viewings“ in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis sowie in den Vereinsheimen von Sportvereinen. So bleiben auch die Hardcore-Fans vom OFC (Offizieller Fanclub) Schwarzenbek in der Region. Die rund 50 Mitglieder fiebern dem Anpfiff am Sonntag bereits entgegen.

Allerdings werden nicht alle das Spiel gemeinsam sehen. Einige fahren nach Sandhausen, um vor Ort zuzuschauen. Ein paar andere haben sich wiederum privat organisiert und werden sich mit Fleisch vom Grill, Bier und Softgetränken in einem Dorf in der Umgebung von Schwarzenbek auf das Spiel einstimmen. Bei dieser Veranstaltung sind etwa 30 Personen dabei, neben Vereinsmitgliedern feiern aber auch Sympathisanten der Rothosen mit, die keinem Fanclub angehören.

Der Hamburger Sport-Verein war von den 16 Bundesliga-Gründungsmitgliedern der einzige Verein, der von der Saison 1963/64 bis zu seinem Abstieg am 12. Mai 2018 knapp 55 Jahre lang durchgehend an der höchsten deutschen Spielklasse teilnahm. Dies brachte dem Klub im neuen Jahrtausend den Spitznamen „Bundesliga-Dino“ ein. Der blaue Dino wurde auch das Maskottchen der Kicker. Nach fünf Jahren in der 2. Liga hat der HSV nun eine realistische Chance, in die 1. Liga zurück zu kehren.