Lauenburg. Warum die heutigen Sachsen keine richtigen Sachsen sind und was Lauenburg damit zu tun hat: Vortrag zum Streit um die sächsische Kurwürde.

Ihre frühe Geschichte liegt im Dunst der einst kaum durchdringlichen Wälder Norddeutschlands verborgen. Römische Geschichtsschreiber sahen in den frühen Sachsen vor allem Piraten. Noch bevor die Volksgruppe als Ziel Fränkischer Eroberungen bekannt wurden. Deren Ziel: Die heidnischen Stämme zwischen Harz, Elbe und Nordsee zu unterwerfen und zu christianisieren. Blutige Feldzüge der Frankenkönige und zuletzt des späteren Kaiser Karl des Großen zwangen die Sachsen schließlich blutig in die Knie.

Doch die Franken bleiben nicht die einzigen deutschen Könige und Kaiser, die massiv mit den Sachsen und ihren Herrschern in Konflikt lagen. Am Dienstag, 23. Mai, beleuchtet Prof. Ulrich Auge einen wichtigen Abschnitt sächsischer Historie, der erheblich Spuren in der deutschen Geschichte und besonders der Region hinterlassen hat. Der kostenlose Vortrag beginnt um 19.30 Uhr im Elbschifffahrtsmuseum, Elbstraße 59.

Könige und Kaiser haben Anteil am Niedergang Lauenburgs

Der Abend steht unter der Überschrift „Das Ringen der Herzöge von Sachsen-Lauenburg um die sächsische Kurwürde 1422/23“. Was spröde klingt, war von überragender Bedeutung. Die Kurwürde und damit das Recht, den deutschen König zu wählen, war zu der Zeit mit dem Lehen Sachsen-Wittenberg verbunden. Das Lauenburgische Askanier-Geschlecht beanspruchte Lehen und Kurwürde für sich, nachdem die Wittenberger Askanier ohne männlichen Stammhalter geblieben waren. Doch König Sigismund gab das Lehen an das Haus Wettin in Meißen.

Die nordsächsische Region zwischen Elbe und Lauenburg im Süden und Ratzeburg im Norden hat zwar über Jahrhunderte bis 1876 als reichsunmittelbares Herzogtum (Sachsen-Lauenburg) des Deutschen Reiches Bestand. Doch die Bedeutung des ewig unter Geldnot leidenden Herrscherhauses war seit dem 15. Jahrhundert im Schwinden begriffen.

Reichsunmittelbar aber häufig in großes Geldnot

Die Herzöge verloren Anfang des 15. Jahrhundert Bergedorf an die Hansestädte Hamburg und Lübeck. Das klamme Adelsgeschlecht musste außerdem immer wieder Landesteile verpfänden. Derweil entwickelte sich das spätere Königreich Sachsen wirtschaftlich prächtig, wurde zu einem wichtigen Player im deutschen Machtgefüge.

Ein Überbleibsel des Lauenburger Schlosses ist der alte Turm.
Ein Überbleibsel des Lauenburger Schlosses ist der alte Turm. © Elke Richel

Wer verstehen will, warum heute eine Region den Namen Freistaat Sachsen trägt, die mit den sächsisch-germanischen Stämmen so gar nichts zu tun hat, muss jedoch noch weiter zurückschauen. Die Ur-Sachsen waren im 8. Jahrhundert zwar von den Franken bezwungen worden, damit jedoch keinesfalls von der Landkarte verschwunden.

Sachsens Einfluss wächst im Mittelalter, reicht bis Britannien

Im Gegenteil. Ihr Einflussgebiet dehnten sie im Norden und Osten über die Elbe hinaus aus. Richtung Westen reichte es bis nach Friesland, Nord-Holland und Westfalen.

Von ihrer Bedeutung zeugt bis heute auch der Begriff Angel-Sachsen: Vor der Eroberung der britischen Insel durch die Normannen im 11. Jahrhundert waren es Sachsen und Angeln aus Norddeutschland, die als Eroberer Teile der britischen Insel ihren Stempel aufdrückten.

Sachsen-Kaiser sichern das Reich gegen Überfälle

In Deutschland hat das sächsische Geschlecht der Liudolfinger von 919 bis 1024 fünf deutsche Könige beziehungsweise Kaiser gestellt. Ihr Beitrag zur deutschen Geschichte: Heinrich I. und Otto I. gelang es, die Überfälle ungarischer Reiterscharen auf Mitteleuropa zu unterbinden.

Im Schatten der Staufer stieg anschließend das sächsische Haus der Welfen auf, festigte seine Position. Der Welfenherzog Heinrich der Löwe hatte wiederum seinen Vetter, den späteren Kaiser Barbarossa, auf dessen Weg unterstützt, ihm auch militärisch zur Seite gestanden. Als Heinrich III. dem Staufer-Kaiser 1176 jedoch die Gefolgschaft verweigert, als der in Norditalien gegen Aufstände zu Felde zog, unterlagen die kaiserlichen Truppen.

Der Sturz des Löwen: Den Welfen bleibt nur Braunschweig-Lüneburg

Anhänger Barbarossas unter den deutschen Fürsten betrieben die Schwächung Heinrichs des Löwen. Der hatte als Kurfürst und Herzog von Sachsen und Bayern eine hervorgehobene Stellung und Macht, die Neid hervorrief. Heinrich wurde schließlich gestürzt. Die Welfen verloren nicht nur das Herzogtum Bayern sondern auch große sächsische Gebiete besonders in der Mitte Deutschlands.

Heinrich der Löwe hatte zweieinhalb Jahrzehnte zuvor mit der Stiftung des Ratzeburger Domes Flagge nördlich der Elbe gezeigt. Doch was den Welfen blieb, war allein das Herzogtum Braunschweig-Lüneburg südlich des Stromes. Der Titel des Herzogs von Sachsen fiel mit dem Sturz Heinrichs des Löwen 1180 an die Askanier in Wittenberg.

Neuer Sachsenherzog regiert über Land ohne Sachsen

Nach dem Tod des letzten männlichen Vertreters der Wittenberger Askanier unterlagen die Lauenburger Askanier mit ihrer Forderung, die Nachfolge anzutreten: Der Titel des Sachsenherzogs wanderte 1423 noch weiter nach Osten. Er ging an die Wettiner, damals Markgrafen von Meißen, mithin Herrscher im späteren Gebiet des Königreichs Sachsen.

Die norddeutschen (Nieder-)Sachsen und die Bewohner des heutigen Freistaates sind kaum durch gemeinsame Wurzeln verbunden. Die Namensverwandschaft geht zurück auf Königshäuser, die im Mittelalter Adelstitel losgelöst von den Stammlanden als Möglichkeit nutzten, die eigene Position zu stärken, indem sie die von Widersachern schwächten.

Adelstitel als Mittel zum Kampf um die Macht

Der Unterschied wird auch in der Sprache deutlich: Norddeutsches Platt auf der einen Seite, näselndes Sächsisch auf der anderen, lässt nicht nur Ausländer vermuten, dass es sich um grundverschiedene Völker und Sprachen handeln muss. Welche Bedeutung slawische Vorfahren in beiden Regionen für die Entwicklung gespielt haben, gibt bis heute Anlass zu Diskussionen.