Lauenburg. Wenn ein Kunstfotograf und ein Designexperte zusammen kreativ werden, ist Großes zu erwarten: „Design in freier Wildbahn“.

Ein mit Kuhfell bezogener Ohrensessel steht in einem Milchviehstall. Ungerührt fressen die Tiere weiter. Vielleicht weil sie wissen, dass das Kuhfell nicht echt ist. Der Sessel ist ein Designerstück und steht im Stall für eine Fotosession. Das Bild schmückt den Monat August im neuen Kalender „Design in freier Wildbahn“, den drei Lauenburger herausgebracht haben.

Dinge zusammenzuführen, die eigentlich nicht zusammengehören – diese Idee steckt hinter dem Projekt „Design in freier Wildbahn“. Vor zwei Jahren hatten Designexperte Karsten Legeler und Kunstfotograf Dirk Eisermann aus Lauenburg das Experiment gewagt. Die limitierte Auslage des Kalenders 2021 wurde ihnen aus den Händen gerissen. Das war auch der Grund, einen neuen Anlauf zu wagen. Der Dritte im Bunde der Lauenburger Kreativen ist Grafikdesigner Fin Erik Eckhoff, der schon den ersten Kalender gestaltet hat.

Lauenburger Kreative bringen besonderer Kalender heraus

Dirk Eisermann und Karsten Legeler spielen mit dem Überraschungsmoment. Dabei erweist sich Legelers Geschäft Wohnunion an der Berliner Straße als wahre Fundgrube. Neben normalen Gebrauchsmöbeln arbeitet er hier seltene Designerstücke auf, die er unter anderem auf Onlineplattformen ersteigert. Manchmal lässt er sie aber auch einfach so, wie sie sind. In dem kleinen Geschäft fallen die Schätze oft gar nicht aus. Anders, wenn der Fotograf und der Designer die Gegenstände in Szene setzen.

Wer ab und zu selbst fotografiert und mit dem Ergebnis mehr oder weniger zufrieden ist, ahnt sicher nicht, wie lange die beiden Kreativen brauchen, um ein Motiv im Kasten zu haben. „Das fängt schon mit der Auswahl des Objektes an. Karsten zeigt mir einen Stuhl oder eine Lampe und hat meist schon eine Idee im Kopf. Das muss aber nicht meine sein“, sagt der Fotograf. Was dann folgt sind oft stundenlange Diskussionen und oft ein Kompromiss. Es muss sich zeigen, welche Ideen am Ende aufgeht.

Alter Bunker perfekte Kulisse für einen barocken Lehnstuhl

Man muss schon ein bisschen verrückt sein, um einen alten Bunker als perfekte Kulisse für einen barocken Lehnstuhl zu sehen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei das Möbelstück per Fotoshop in die düstere Umgebung montiert. Doch hinter dieser absurden Bildidee steckt jede Menge Arbeit. Dirk Eisermann arbeitet mit Lichtquellen, die später im Bild nicht zu sehen sind. Stundenlang probiert er die richtige Einstellung aus. Karsten Legeler hat immer einen Blick darauf, ob das Objekt richtig zur Geltung kommt.

Was schon in geschlossenen Räumen eine Herausforderung ist, wird im Freien zu einer Geduldsprobe. Das Kalenderblatt des Monats Januar zeigt einen transparenten Stuhl in einer Winterlandschaft. Um dieses Motiv aufzunehmen, haben sich die beiden Männer im wahrsten Sinne des Wortes auf dünnes Eis begeben. In diesem Fall spielen sie nicht mit Kontrasten. Das zarte Möbelstück verschmilzt mit der Lichtspiegelung auf dem teilweise zugefrorenen See.

Mit Brot Schwäne für ein Foto angelockt

Das hätte auch schief gehen können. Dann wäre das teure Stück für immer verschwunden gewesen. „Wir haben den Stuhl mit langen Stöcken aufs Eis geschoben. Uns hätte es nicht getragen“, erzählt Karsten Legeler. Im Hintergrund des Bildes sind Schwäne zu sehen. Auch die sind nicht zufällig da. „Durch Futter haben wir versucht, sie in die richtige Position zu locken. Das klappte nicht ganz so wie gewünscht“, erzählt Dirk Eisermann lachend.

Fotograf Dirk Eisermann und Designer Karsten Legeler aus Lauenburg geben den Kunstkalender Design in freier Wildbahn heraus.
Fotograf Dirk Eisermann und Designer Karsten Legeler aus Lauenburg geben den Kunstkalender Design in freier Wildbahn heraus. © Elke Richel | Elke Richel

Verborgene Orte in Lauenburg entdecken

Wer in dem Kalender blättert, wird darin Motive aus Lauenburg finden, die auf der einen Seite vertraut, auf der anderen Seite wie aus der Zeit gefallen sind. Das Titelblatt zeigt das Innere des halb zerfallenen Hauses an der Elbstraße 107. Das alte Handwerkshaus steht auf der Denkmalliste des Landes. Die beiden Kronleuchter bilden einen absurden Kontrast zu dem morbiden Charme der alten Backstube.

Versteckte Lichtquellen leuchten den Raum unauffällig aus. Man meint, den Staub vergangener Jahrhunderte zu riechen. In diesem Haus sollte übrigens mal die Touristinformation ihr Domizil erhalten. Der Plan wurde verworfen, als 2009 ein Bürgerentscheid die Pläne für den Schrägaufzug gestoppt hatte. Seitdem ist das Gebäude wieder in den Dornröschenschlaf gefallen. Auch das ist ein Verdienst von Dirk Eisermann und Karsten Legeler: Die Erinnerung wach halten an verborgene Orte in Lauenburg

Viel Unterstützung für das Gemeinschaftsprojekt

Das alte Handwerkshaus gehört der Stadt Lauenburg. Mit der Idee, es in Szene zu setzen, sind die beiden Kreativen in der Verwaltung offene Tüten eingerannt. „Ohne die Mitwirkung von Lauenburger Einrichtungen, aber auch von Privatpersonen hätten wir unsere Idee nicht umsetzen können“, sagt Karsten Legeler.

Immer noch lachen muss er, wenn er an die Begegnung mit dem Milchbauern denkt. „Der hat uns den Schlüssel vom Kuhstall in die Hand gedrückt mit den Worten: Macht mal! Dann ist er seiner Wege gegangen. Im Stall lief alles automatisch ab. Das war ein Erlebnis für uns Stadtmenschen.“

Wie viel Zeit in dem neuen Kalender steckt, können der Fotograf und der Designexperte nicht sagen. Der Spaß würde die aber aufwiegen, sagen beide. Allerdings sei der Aufwand zu groß, um jedes Jahr das Gemeinschaftsprojekt angehen zu können.

Der Kunstkalender „Design in freier Wildbahn“ wurde auch in diesem Jahr durch das Lauenburger Unternehmen D & T Offsetdruck in einer limitierten Auflage von 100 Exemplaren gedruckt. Erhältlich ist der Kalender zum Preis von 29,80 Euro unter anderem in der Touristinformation (Elbstraße 59), dem Geschäft Wohnunion (Berliner Straße 34) sowie im Verlag Rufer-Edition (Elbstraße 94). Außerdem kann der Kalender online erworben werden auf der Seite www.design-in-freier-wildbahn.de.