Fundsache: Herbert von Beuningen besitzt 60 Jahre alte Flaschen Schnaps aus heimischer Produktion

Herbert von Beuningen hütet einen Schatz in seinem Keller: Eine Flasche Brandwein mit dem klangvollen Namen "Herzog von Lauenburg", dazu einen Pomeranzen-Likör und eine Flasche "Kalter Kaffee". Etwa 60 Jahre alt dürften die Tropfen wohl sein - gebrannt in der Lauenburger Spirituosenfabrik von Alois Weiß. "Ich kann das Alter der Flaschen nur schätzen. Mein Schwager führte das Hotel Stappenbeck bis 1985. Als wir es auflösten, habe ich irgendwo in den Regalen die verstaubten Flaschen entdeckt", erzählt der 79-Jährige.

Doch die vergilbten Etiketten weckten seine Neugier: Wer war dieser Alois Weiß, dessen Vorname schon darauf hindeutet, dass er nicht im Lauenburgischen geboren wurde? In Erfahrung hat er bisher gebracht, dass es Alois Weiß nach dem Krieg vermutlich aus Ostpreußen nach Lauenburg verschlagen haben soll. In den Kellerräumen im Haus an der Elbstraße 24 hat der Flüchtling dann wohl an einer einträglichen Geschäftsidee getüftelt und sich für die Schnapsbrennerei entschieden. Herbert von Beuningen hat inzwischen von alteingesessenen Lauenburgern erfahren, dass die wiederkehrenden Hochwasser dem jungen Alois aber immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht haben sollen - regelmäßig stand seine "Kellerfabrik" unter Wasser.

Diese wird übrigens auf der Infotafel am Haus Elbstraße 24 überhaupt nicht erwähnt und auch im Lauenburger Stadtarchiv findet sich kein Eintrag über die Schnapsbrennerei von Alois Weiß aus jener Zeit. Horst Eggert vom Heimatbund und Geschichtsverein hat dafür eine einfache Erklärung: "Schnaps zu brennen war kurz nach dem Krieg streng verboten. Trotzdem hat es jeder getan. Brandwein war auch in Lauenburg die zweite Währung, mit der sich selbst die Ordnungshüter schmieren ließen." Er selbst erinnert sich daran, dass auch sein Vater Spezialist darin war, einen Hochprozentigen aus Zuckerrübensirup zu brennen.

Alois Weiß hat seine Destille offensichtlich später auf professionelle Füße gestellt. Im Archiv der Stadt am Amtsplatz lagern Adressbücher vergangener Zeiten: "Lauenburger Spirituosenfabrik Alois Weiß, Büchener Weg 13" lautet ein Eintrag aus dem Jahre 1950. An diese Zeit kann sich auch Horst Eggert noch erinnern, ebenso an den klebrigen Kräuterschnaps, den sie damals "Komodenlack" getauft hatten. "In den Lauenburger Gaststuben ging Anfang der 50er-Jahre so mancher Tropfen von Alois Weiß über die Theke", erzählt er und hat bis heute den Brummschädel am nächsten Morgen nicht vergessen. Herbert von Beuningen weiß sogar noch den Namen eines besonders "gefährlichen" Kräuterschnapses und kennt den Spruch, der damals in Lauenburg die Runde machte: "Bowiak war sein letztes Wort, dann trugen ihn die Englein fort ...". Vieles spricht übrigens dafür, dass Alois Weiß gern mitgefeiert hat. "Er war ein geselliger Mensch mit viel Humor", weiß von Beuningen. Bis wann der ehemalige Ostpreuße seine Fabrik in Lauenburg geführt hat, ist nicht genau bekannt. Anfang der 60er-Jahre war Schluss, will von Beuningen erfahren haben.

Was von Alois Weiß bleibt, sind nicht nur drei Flaschen, sondern die Erinnerungen an die Lauenburger Nachkriegszeit, in der es Entbehrungen gab und improvisiert - aber eben auch gefeiert wurde.