Anno 1600: Wer es sich mit der Lauenburger Obrigkeit verdarb, bekam ihre Grausamkeit zu spüren

Das Lauenburger Schloss verkaufen oder nicht - über diese Frage wird in der Stadt zurzeit rege diskutiert. Vor über 400 Jahren wäre so eine öffentliche Debatte undenkbar gewesen, Demokratie, Bürgerrechte oder gar -beteiligung gab es noch nicht. Das Lauenburger Schloss war eine Stätte der feudalistischen Macht - und für so manchen Untertan ein Ort des Schreckens. Das zeigt eine Geschichte, die der Heimatforscher Wolfgang Blandow im neuen Heft der "Lauenburgischen Heimat" erzählt.

Es ist die Leidensgeschichte des Bergedorfer Amtsschreibers Andreas Grimm. Von 1598 bis 1609, über zehn Jahre lang, wurde er unter menschenunwürdigen Bedingungen im Lauenburger Schloss gefangen gehalten. Mit Folter versuchte man, ihn zu einem Geständnis zu bringen - vergeblich.

Grimm galt als ein Verdächtiger im Prozess um einen angeblichen Mordanschlag auf Herzog Franz II. von Sachsen-Lauenburg. Sechs andere Männer hatten ihn, ebenfalls unter der Folter, beschuldigt. "Wenn man sich mit den Ereignissen beschäftigt, stellt sich die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Behauptungen des Herzogs", schreibt Blandow. Denn Franz II. lag in ständigem Zwist mit Lübeck und Hamburg, hegte großen Hass auf die Hansestädte und wollte sie möglicherweise beim Kaiser in Misskredit bringen.

Die Grausamkeit des Herzogs bekam ganz besonders Andreas Grimm zu spüren. Unter einem Vorwand war der Amtsschreiber ins Lauenburgische gelockt, bei Schnakenbek verhaftet worden. Am 3. Mai 1598 trafen drei Henker in Lauenburg ein, die ihn foltern sollten. Seine Bitte um eine Audienz oder einen Verteidiger wurde abgelehnt. Seine Peiniger bohrten ihm unter anderem Schrauben in Beine und Füße und warfen Federkiele mit brennendem Schwefel auf seinen Leib. Seine Zelle war eine kleine vierkantige Stube mit einem Ofen und einem halben Fenster, das sich nicht öffnen ließ. Grimms Füße waren mit Ketten ans Bett gefesselt, in der täglichen Kohlsuppe schwammen oft fingerlange Reste von Putzlappen.

Die Städte Hamburg und Lübeck drohten Franz II. mit der Reichsacht, weil die Verhaftung Grimms und die Folter rechtswidrig seien. Doch dem Herzog gelang es immer wieder, die Freilassung hinauszuschieben. Er selbst war häufig dabei, wenn Grimm gefoltert wurde, zeitweise auch seine Frau, Herzogin Maria.

"'Ohne Geständnis keine Verurteilung' - dieser Grundsatz hat das Leben des Bergedorfer Amtsschreibers gerettet. Seine über zehn Jahre lang aufrecht erhaltene Standhaftigkeit ist bemerkenswert", schreibt Wolfgang Blandow. Der Fall des angeblichen Mordanschlags auf Herzog Franz II. liefere ein erschütterndes Zeugnis über den Rechtszustand im Herzogtum Sachsen-Lauenburg vor 400 Jahren. "Er zeigt auch, wie wenig ein Menschenleben damals galt", so der Autor.

Andreas Grimm hat bald nach seiner Haftentlassung geheiratet - und später in einem Schreiben an die Stadt Lübeck Schadenersatz für die jahrelange Haft gefordert. Seine Mitangeklagten wurden alle hingerichtet.

Auch über diesen Fall hinaus ist im Lauenburger Schloss wohl so mancher Bürger ums Leben gekommen. Franz II. war bekannt für Grausamkeit gegen Untertanen und gegen Menschen, die er in seine Gewalt bekam. Horst Eggert vom Heimatbund und Geschichtsverein: "Der Kerker lag in einem Nebengebäude, das abgebrannt ist. Dort hat man bei Bauarbeiten später noch ein angekettetes Skelett gefunden."