“Tag des offenen Denkmals“: Russische Zwangsarbeiter fanden in Lauenburg ihre letzte Ruhestätte

Der diesjährige "Tag des offenen Denkmals" am 8. September ist jenen Zeitzeugen gewidmet, die in den Touristenführern fast nie zu finden sind: Kriegs- und Ehrenmale. Allein im Kreis Herzogtum Lauenburg gibt weit über 100 der meist sperrigen Objekte aus Stein oder Holz. Sie sind unbequem geworden.

Das Grab auf dem Lauenburger Friedhof ist schlicht, aber gepflegt. Die Aufschrift "Zum Gedenken an die russischen Kriegstoten 1945" ist im Laufe der Jahre verwittert. Wer hatte sich damals nach den Schrecken des Krieges so viel Menschlichkeit bewahren können, zehn sowjetischen Zwangsarbeitern hier eine würdevolle Ruhestätte zu schaffen? Viel ist nicht überliefert aus dem Leben des ehemaligen Lauenburger Sprengmeisters Heinrich Struve. Horst Eggert vom Heimatbund und Geschichtsverein erinnert sich an einen kleinen Mann, dessen linke Hand nach dem Krieg bei der Sprengung eines Blindgängers abgerissen wurde. Für Struve machte es keinen Unterschied, woher die Toten stammten: Er legte den Grundstein für den heutigen Lauenburger Ehrenfriedhof und schuf auch das Grab für die acht Männer und zwei Frauen aus Russland, die als Zwangsarbeiter in den letzten Kriegstagen in Lauenburg zu Tode kamen. In die Bunker, die der deutschen Bevölkerung Schutz vor den Bomben boten, duften sie nicht.

Struves Menschlichkeit wäre ihm allerdings beinahe selber zum Verhängnis geworden, weiß Joachim Kedziora vom Heimatbund und Geschichtsverein: "Kurz nach Kriegsende bekam Struve Besuch von einer jungen Frau. Diese erzählte ihm, dass sie mit dem Fernglas das frisch aufgeworfene Grab ihres gefallenen Mannes auf der anderen Seite der Demarkationslinie sehen kann." Sie hätte bitterlich geweint und Struve gebeten, ihr doch zu helfen und den Mann auf den Friedhof nach Lauenburg zu bringen.

In einer Nacht- und Nebelaktion machten sich Struve und ein Helfer auf den Weg in Richtung Boizenburg. Sie wollten den Toten mit einem Kahn in Richtung Lauenburg transportieren. Beim Freilegen der Grabstätte wurden sie aber von Ordnungskräften überrascht und dem sowjetischen Ortskommandanten übergeben. Zwei lange Tage Haft in einem Keller folgten und schließlich die bittere Erkenntnis: Der Abtransport nach Sibirien steht unmittelbar bevor. Doch Struve hatte nicht nur ein reines Gewissen, sondern auch noch einen Trumpf in der Hand: In der westlichen Besatzungszone würde sich niemand um die russischen Gräber kümmern, wenn er es nicht tue. Diese Tatsache rettete ihm womöglich das Leben, denn man erzählt sich, Struve wäre der erste deutsche Gefangene jenes sowjetischen Offiziers gewesen, der wieder auf freien Fuß gesetzt worden war. Heinrich Struve wurde im Jahre 1955 mit dem Verdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Heute wird das Grab von Mitarbeitern des Friedhofes gepflegt, manchmal legt jemand einen Strauß Blumen ab. Wer waren die fremden Menschen, die in Lauenburg sterben mussten? Mit einer Gruppe Konfirmanden will Pastor Till Karstädt-Meissner das jetzt herausfinden und den Toten ihre Namen zurückgeben.