Rückzugsgebiet: Wasser hat auch die Oberstadt im Griff - Hier ruhen die Helfer aus

"Irgendwie ist das unwirklich, diese konkrete Gefahr durch die Wassermassen bei schönstem Sonnenschein", schüttelt eine Rentnerin aus Mölln den Kopf.

Das Geländer am Fürstengarten ist der Aussichtspunkt der Flut-Touristen. Es sind keine Massen an Schaulustigen, nur kleine Gruppen, denn die Altstadt ist an allen Zufahrtsstraßen gesperrt und durch Polizeiposten hermetisch abgeriegelt. Doch "Action" gibt es auch hier oben: Im Viertelstundentakt stehen Reporter vor den Fernsehkameras, machen Aufsager oder führen Interviews. Insofern sind die Zaungäste doch irgendwie "live dabei".

Auf der Elbe vor Hohnstorf fahren die Boote der DLRG hin und her. Ein älterer Herr kramt sein Opernglas hervor: "Die fischen Treibgut aus dem Wasser", erklärt er den andern. Die starke Fließgeschwindigkeit des Wassers erstaunt die Zuschauer. "Das sieht gefährlich aus", sagt die Lauenburgerin Charlotte Hentsch (69). "Es ist schon enorm, was die Leute leisten, die seit Tagen für uns im Einsatz sind", meint die pensionierte Lehrerin. Die Fluthilfe sei perfekt organisiert.

Reinhard Luft (46) sieht das ganz anders. Er pinnt Handzettel mit der Überschrift "Hier ist gewaltig was schief gelaufen" an die Bäume im Fürstengarten. Der Angestellte der "Alten Post" an der Elbstraße ist empört, dass auch etwas höher gelegene Häuser evakuiert wurden, obwohl die Besitzer für einen ausreichenden Hochwasserschutz gesorgt hätten. "Wir sind alle über einen Kamm geschoren worden", beklagt er sich: "Wir waren auf das Hochwasser gut vorbereitet." Über die Notwendigkeit der Evakuierung von 450 Menschen wird in Lauenburg nach wie vor kontrovers diskutiert. Als Luft das letzte Flugblatt befestigt hat, hatten andere die ersten Handzettel schon wieder abgerissen.

Ein paar Straßen weiter an der Albinus-Gemeinschaftsschule hat der Katastrophenschutz der Stadt Neumünster Quartier bezogen. Er unterstützt die Betreuungsgruppe des DRK, die ihre Feldküche im Bauhof an der Juliusburger Straße aufgebaut hat. Ob Essen oder Mücken- und Sonnenschutz, das Team von Patrick Eichhorn koordiniert die "Hilfe für die Helfer". Die Neumünsteraner stellen in der Mensa der Schule und am Schlüsselteichplatz rund um die Uhr Verpflegung für die Fluthelfer bereit. Wo sonst die Schüler essen, verteilen Sara Seeger (26) und Janine Schüning (18) die Mahlzeiten: "Heute gibt es Kartoffelsalat und Bockwurst, echt lecker!"

"Der Schulbetrieb läuft trotzdem weiter", sagt Christoph Reisinger (33) von der Regieeinheit. Am Eingang zeigt er auf ein Kuchenbüfett: "Das haben uns Eltern der Schüler gebacken." In der Turnhalle, die als Schlafstätte dient, haben sich Giulia Kleps (22) und Sebastian Kurrek (30) von der Johanniter-Unfallhilfe aus Neumünster für ein paar Minuten auf dem gemeinsamen Luftbett ausgeruht. Sebastian hat bei Giuila angefragt, ob er das Luftbett mitbenutzen darf. "Sie hat 'Ja' gesagt", freut er sich angesichts der schmalen Feldbetten. Giulia kontert: "Wir Johanniter sind schließlich der Verband der Nächstenliebe."