Geesthacht. Jahrelang kämpfte Christine Backs (SPD) für mehr Pfandflaschenringe. Jetzt gibt es drei neue. Warum sie trotzdem nicht zufrieden ist.

Geesthacht rüstet auf mit Flaschenringen. Zwei gelbe Halbbügel aus Metall, die mit Schrauben zusammengehalten werden, zieren jetzt drei der üblichen Abfallbehälter in der Fußgängerzone. Die auffälligen Halter hängen jeweils um Müllbehälter auf Höhe des Sanitätshauses Grootjahn und bei Schuh Bode, einer befindet sich neben dem Zugang zum Rewe-Center.

Genutzt werden sie bereits: Die Getränkedose, die beim Ausgang zur Post ins Ringloch eingestellt wurde statt im Müll zu landen, fand nach wenigen Minuten einen neuen Besitzer. Je vier Löcher gibt es auf beiden Seiten für alle ausgetrunkenen Getränkebehälter, die Pfand bringen. Sind alle Fächer mit 25-Cent-Dosen oder Flaschen belegt, gibt es zwei Euro auf einen Streich abzugreifen. Bereits seit 2017 gibt es Pfandringen am ZOB und am Postparkplatz.

SPD-Fraktion Geesthacht hatte einen Antrag auf Aufstockung der Pfandringe gestellt

Zurück geht die Aufstockung auf einen Antrag der SPD-Fraktion im Dezember 2020. Grund dafür war die Beobachtung, dass die Pfandflaschenhalter nicht mehr nur zum Stadtbild von Großstädten gehören, sondern auch kleinere Kommunen in der Nachbarschaft wie Glinde und Lauenburg nachgezogen hätten.

Auch in Schwarzenbek gibt es mittlerweile welche. Nachdem in Geesthacht nichts passierte, unternahm die SPD zum Haushalt 2023 einen neuen Anlauf. 2000 Euro wurden dafür in der Ratsversammlung am 9. Dezember 2022 hierfür genehmigt. Nach Genehmigung des Haushaltes Anfang Mai durch das Innenministerium wurden drei Pfandringe am vergangenen Mittwoch angebracht.

Immer mehr Menschen wühlen in den Mülleimern

Verbessert werden sollen gleich drei Aspekte, sagt Christine Backs, die sich des Themas bei der SPD federführend angenommen hat: Ein sozialer, weil so das unwürdige Durchwühlen von Müllbehältern nach Pfand durch Bedürftige wie zum Beispiel Obdachlose unterbliebe; die Umweltbelastung, weil weniger recycelbare Materialien im Müll landeten, und ein gesundheitlicher. Die Scherben zerbrochener Glasflaschen im Müll könnten bei den Sammlern für Verletzungen sorgen.

Der Zeitpunkt passt: Gerade in jüngster Zeit war der SPD-Ratsfrau aufgefallen, dass vermehrt bedürftige ältere Damen und Herren, ausgerüstet mit Trolleys, in der Oberstadt bei den Mülleimern stehen und darin herumwühlen. Dass die Zahl der Bedürftigen, die mutmaßlich auch Pfand sammeln würde, steigt, lässt sich aus einer Mitteilung der Stadt rückschließen.

Stadt verzeichnet angespannte Situation bei der Obdachlosenunterbringung

„Zurzeit ist die Situation der Obdachlosenunterbringung sehr angespannt“, sagt die Stadtverwaltung auf Anfrage. „Die Fachstelle für Wohnungshilfe verfügt nur noch über zwei freie Plätze in der Notunterkunft für Obdachlose. Die Stadt hat Unterkünfte für Menschen ohne Dach über dem Kopf zum Beispiel an der Schäferstwiete. In Wohnungen sind 37 Haushalte – betroffen sind 70 Personen – ordnungsrechtlich untergebracht und in den Notunterkünften für Obdachlose noch einmal 30 Personen.“

Die angespannte Situation hatte bereits Bürgermeister Olaf Schulze im Finanzausschuss im November angedeutet, als es um die Mittel für den Neubau der abgebrannten Unterkunft für Obdachlose am Bandrieter Weg ging. Weil der Bedarf gestiegen sei, solle der Neubau größer als das alte Gebäude werden. „Es ist geplant, gleich ein bisschen mehr zu errichten“, verkündete Olaf Schulze damals.

SPD-Ratsfrau wünscht Aufkleber an den Pfandringen

Früher gab es in den beiden Holzhäusern je zwei Wohnungen für jeweils drei Personen, der barrierearme Neubau soll neben den zehn geplanten Einzelzimmern auch eine Gemeinschaftsküche sowie ein Gemeinschaftsbad für die Bewohner bekommen. Vorgesehen ist eine Investition in Höhe von 600.000 Euro. Die alte Unterkunft war nach einem Großbrand am 17. Januar 2022 unbewohnbar geworden, die beiden Bewohner kamen mit dem Schrecken davon.

Weil es keinen klaren Hotspot in der Stadt gibt, ist Christine Backs auch nicht glücklich mit der Zentralisierung der Ringe nur in der Stadtmitte. Ursprünglich hatte sie sich welche auch am Menzer-Werft-Platz, am Parkplatz Tesperhude und an stark frequentierten Bushaltestellen wie am Worther Weg, in Besenhorst und Düneberg gewünscht ebenso wie am Ziegenkrug. Außerdem vermisst sie die klassischen Aufkleber „Pfand gehört daneben“ als Erklärung für Sachunkundige, was es mit dem gelben Ring um den Mülleimer auf sich hat.

Die meisten Pfandsammler kommen nur auf vier Euro am Tag

Die Aufkleber gibt es kostenlos im Internet. Allerdings sind sie nicht ganz neutral, sondern mit den Logos untere anderem von Fritz-Kola versehen. Das Unternehmen aus Hamburg hat sich die Initiative auf die Fahnen geschrieben und gibt Daten aus einer Studie an, der zufolge jährlich Pfandflaschen im Wert von 180 Millionen Euro im Müll landeten und 980.000 Menschen in Deutschland Pfandflaschen sammelten. Mindestens.

56 Prozent der befragten Sammler hätten angegeben, damit täglich höchstens bis zu vier Euro zu verdienen. Und für 28 Prozent der befragten Pfandsammler sei Pfandsammeln die einzige Einkommensquelle neben eventueller staatlicher Unterstützung. „Zwei weitere Ringe sollen noch am ZOB folgen und zwei sind dann noch in Reserve“, teilt die Stadt mit. Die Ringe kosten zirka 170 Euro pro Stück. Zunächst soll beobachtet werden, wie die bereits montierten Ringe angenommen werden. Über flankierende Aufkleber wird nachgedacht.

Geesthacht: Soziale Missstände sollen gelöst werden

Entwickelt wurden die Pfandringe 2012 vom Kölner Produktdesigner Paul Ketz. Der Begriff ist rechtlich geschützt, es gibt verschiedene Typen. Die in der Geesthachter Innenstadt sind der Typ Ufo. Kritiker monieren, Pfandringe würden nicht das gesellschaftliche Problem lösen, sprechen sogar von einem selten modernen Ablasshandel. Für das Zurücklassen des Flaschenpfands gäbe es ein gutes Gewissen.

„Uns ist bewusst, dass durch Pfandringe weder das ökologische noch das soziale Problem grundsätzlich gelöst werden kann“, schreibt die SPD begleitend zum Antrag von 2020. Man halte die Maßnahme trotzdem für sinnvoll. „Für mich ist die Hauptsache, es passiert etwas“, erklärt Christine Backs. Und verweist auf die von ihr ausgemachten Grenzen des Einflusses auf kommunaler Ebene. „Wir versuchen, soziale Missstände, die wir erkennen, so gut wie möglich zu lösen. Aber die Grundprobleme zu lösen steht nicht in unserer Macht“.