Fußgängerzone: Anwohner sollen Ausbaubeiträge für höhere Häuser zahlen als sie wirklich haben

"Wir haben viel Fachwissen aufgefahren, um das, was geplant ist, zu erklären", eröffnete Bauamtsleiter Peter Junge die Information für die Anlieger der Bergedorfer Straße. Doch das Vorhaben endete in einem Fiasko. Kritik wurde von der Verwaltung nicht ernst genommen, die Politiker zeigten so gut wie kein Interesse an den Reaktionen der Betroffenen. Und die präsentierten Anliegerbeiträge sind schwer nachvollziehbar.

Marion Schumacher aus der Bauverwaltung hatte für die Veranstaltung im Rathaus die geschätzten Beiträge für mehrere "Mustergrundstücke" berechnet. Wer eine 700 Quadratmeter große Fläche mit zwei Vollgeschossen besitzt, muss für die Umgestaltung der Einkaufsstraße rund 18 000 Euro bezahlen, 140 000 Euro sind bei 2400 Quadratmetern mit vier Vollgeschossen fällig. Allerdings: Der Bebauungsplan (B-Plan) lässt zwar auf vielen Grundstücken eine Bebauung mit vier Vollgeschossen zu, nur wird das in den wenigsten Fällen ausgenutzt. So sind beispielsweise das Gebäude "Zigarren Fries" von Oliver Fries oder die "Stadtschlachterei" von Jens Voß historische Einfamilienhäuser. Zur Kasse gebeten werden sie dennoch so, als hätten sie die Grundstücke - wie laut B-Plan zulässig - mit vier Geschossen bebaut. Es wird auch nicht zwischen privater Nutzung und Handel oder produzierendem Gewerbe unterschieden.

"Als die Bergedorfer Straße 1984 verkehrsberuhigt wurde, habe ich auch für vier Vollgeschosse bezahlt. Bekomme ich jetzt Geld zurück, weil ich die Bebaubarkeit meines Grundstücks bisher nicht ausgenutzt habe", fragte Voß. Raumausstatter Frank Witt sagte, es sei schwer, so eine "virtuelle Bebauung" zu akzeptieren. Er bot Fries spontan an, in seinem imaginären vierten Stockwerk den Teppichboden zu verlegen. "Es ist eine abstrakte Sache", gab Marion Schumacher zu. "Mir ist relativ egal, wie hoch der mögliche Wert meines Grundstücks ist. Davon kann ich mir nichts zu essen kaufen", wetterte Heilpraktiker Torsten Seidl.

Eine bittere Pille wird die Umgestaltung auch für die Anlieger der Bohnenstraße und der Nelkenstraße. Deren Ausbau wird voraussichtlich rund 540 000 Euro kosten, 70 Prozent müssen die Anlieger bezahlen. Nannte Junge die beiden Straßen anfangs noch "die Haupterschließungsstraßen für die Fußgängerzone", wurden die Straßen bei der späteren Kalkulation der Beiträge zu Anliegerstraßen herabgestuft, für die eine deutlich höhere Beteiligung üblich ist. Als Junge auf die Diskrepanz in seinen Ausführungen hingewiesen wurde, erwiderte er: Die Straßen hätten zwar die Erschließungsfunktion, gemäß der Straßensatzung seien sie aber keine Erschließungsstraßen.

Für die Betroffenen ist das eine Ungerechtigkeit. "Wenn Sie anderer Meinung sind, können Sie den Gebührenbescheid ja anfechten", sagte Junge schließlich.

Fries regte wegen einer gefürchteten weiteren Kostensteigerung während der Bauarbeiten an, die jetzt genannten 3,6 Millionen Euro als Obergrenze für die Umgestaltung festzusetzen. Sein Vorschlag: Wenn die Ausschreibung höhere Baukosten ergeben würde, könnte beispielsweise auf den neuen Brunnen, der vor "Schuh Bode" installiert werden soll, verzichtet werden. Wie locker die Politik mit Mehrkosten bei dem Projekt umgeht, zeigte sich bereits zwei Mal. Erst wurde anderes Pflaster ausgewählt - für 300 000 Euro zusätzlich. Und auch der zunächst nicht geplante neue Brunnen wurde kurzerhand abgesegnet - noch einmal 100 000 Euro Mehrkosten. Fries forderte Zurückhaltung: "Uns werden die 500-Euro-Scheine nur so aus der Tasche gezogen."

Junge sagte, es habe mehr als 30 Sitzungen gegeben, in denen sich die Betroffenen hätten einbringen können. Problem: Zuletzt tagte ein Arbeitskreis nicht-öffentlich.