Niedersachsen/Landkreis Harburg. Fünf Angriffe auf Schafe an der Landesgrenze. Mitgliedsverbände des „Dialogforums Wolf“ haben die Nase voll und ziehen Konsequenzen.

Wolfsangriffe auf Weidetiere in der Region häufen sich. Nachdem im vergangenen Jahr besonders der Landkreis Stade und dessen Nachbarkreise betroffen waren, rücken die Attacken zunehmend an die Hansestadt Hamburg heran – zuletzt wurden Risse auf Hanhöfersand und im Hamburger Süden auf Neu Wulmstorfer, Buchholzer und Hollenstedter Gebiet verzeichnet. Seit Monaten rufen die betroffenen Weidetierhalter um Hilfe und flehen Niedersachsens Umweltminister um ein wirksames Eingreifen an. Jetzt eskaliert der Streit.

Niedersachsen: Menschen auf dem Land fühlen sich mit Wolfsproblem allein gelassen

Das Umweltministerium tue zu wenig, um die Weidetiere in Niedersachsen zu schützen und die Ausbreitung der Wölfe einzudämmen, finden viele Menschen auf dem Land. Als Konsequenz haben die Mitgliedsverbände des Aktionsbündnisses aktives Wolfsmanagement jetzt gegenüber Umweltminister Christian Meyer (Grüne) angekündigt, ihre Mitarbeit im landesweiten „Dialogforum Weidetierhaltung und Wolf“ ruhen zu lassen.

„Wir haben Umweltminister Meyer schon vorab in einem Schreiben unseren Unmut bezüglich der bisherigen unzureichenden Bemühungen und Fortschritte im Umgang mit dem Wolf mitgeteilt. Wir zweifeln an der wahren Absicht, für unsere Weidetierhalter zeitnah Lösungen durchzusetzen, denn Ansätze hierzu haben wir seit Jahren geliefert. Die Missachtung unserer Mitarbeit seitens der Landesregierung sowie deren Umgang mit allen Gruppen, die im Aktionsbündnis aktives Wolfsmanagement vereint sind, lassen aktuell keinen anderen Schritt als ein Aussetzen der Mitarbeit zu“, erklärt Jörn Ehlers, Sprecher des Aktionsbündnisses und Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen.

Wölfe bei Hamburg weiter auf dem Vormarsch in Richtung dichtbesiedelter Gebiete

Umweltminister Christian Meyer (Grüne) steht wegen seiner Wolfspolitik in der Kritik.
Umweltminister Christian Meyer (Grüne) steht wegen seiner Wolfspolitik in der Kritik. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Ehlers hatte sich bereits Ende des vergangenen Jahres gefragt, ob 2024 ein „Jahr der Wölfe oder der Weidetierhalter“ werde. Die Raubtiere scheinen im Moment diesbezüglich im Vorteil und sind weiter auf dem Vormarsch in Richtung dichtbesiedelter Gebiete.

So kam es laut Umweltministerium in den ersten Monaten des Jahres allein im Hamburger Süden zu fünf Wolfsangriffen auf Nutztiere – allesamt Schafe. Neben der Attacke auf der Gefängnisinsel Hanhöfersand am 9. März waren das Vorfälle in Elstorf-Bachheide (27. Februar), sowie im Appeler Ortsteil Grauen in der Samtgemeinde Hollenstedt (14. März). Auf Buchholzer Gebiet schlugen die Wölfe zweimal in Meilsen zu (4. März und 20. Januar). Insgesamt wurden dabei 12 Tiere getötet und einige weitere verletzt.

Wolfsmanagement „schleppend und intransparent“

Seit Jahren warten Niedersachsens Weidetierhalter auf praxisnahe Lösungen im Umgang mit dem Wolf, meint Ehlers. In dem Schreiben, das im Februar an den zuständigen Umweltminister Meyer ging, kritisiert das Aktionsbündnis einen „schleppenden und intransparenten Prozess“ und bezweifelt insgesamt die Handlungsfähigkeit des „Dialogforums Wolf“, um „zeitnah Lösungen zum schnellen Abschuss des Wolfes und zur Finanzierung des Herdenschutzes zu liefern“.

Jörn Ehlers, Sprecher des Aktionsbündnisses Wolf und Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen, hat dem Umweltminister seine Mitarbeit im
Jörn Ehlers, Sprecher des Aktionsbündnisses Wolf und Vizepräsident des Landvolks Niedersachsen, hat dem Umweltminister seine Mitarbeit im "Dialogforum Wolf" zunächst aufgekündigt. © Landvolk Niedersachsen | Landvolk Niedersachsen

„Ob Pferdehalter, Rinderhalter, Schäfer, Ziegen- und Wildtierhalter – alle haben auf ihrer Ebene schon sehr viel Zeit investiert. Der Frust ist groß, vor allem über den Umgang. Alles, was uns hier erzählt wird, ist vorher nicht mit den Arbeitsgruppen besprochen worden. Der Output insgesamt lässt sehr zu wünschen übrig“, fasst Ehlers die Gründe zusammen. Viele Fragen seien bis heute vom Ministerium unbeantwortet geblieben.

„Angst und Schrecken“ bei den Weidetierhaltern in den Landkreisen Harburg und Stade

51 Rudel Wölfe in Niedersachsen sorgten weiterhin für „Angst und Schrecken“ bei den Weidetierhaltern, so Ehlers: „Tendenz steigend – ohne Aussicht auf Besserung.“ Die in den Foren erarbeitete Variante des regional differenzierten Wolfsmanagements, das den Weidetierhaltern vom Umweltminister immer als rechtssicher vorgestellt worden sei, sei auf einmal nicht mehr rechtssicher und dürfe nicht angewendet werden. „Wir drehen uns weiter im Kreis, werden weiter hingehalten, nichts passiert“, sagt Ehlers. Das sei schon lange kein Dialog mehr.

Auch die Landesjägerschaft kritisiert das Ministerium: „Die vom Umweltminister verkündete „Schnellabschussregelung“ weist offene Fragen auf – so findet beispielsweise eine Beteiligung der Jägerschaft im Vorfeld solcher Maßnahmen nicht statt“, sagt Ernst-Dieter Meinecke, stellvertretender Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen.

„Brisante“ Konfliktlage in Niedersachsen rund um das Thema Wolf

Die dem Umweltministerium nachgeordnete Behörde, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, ziehe nach wenigen Tagen eine Abschussgenehmigung in der Region Hannover wieder zurück, obwohl das Verwaltungsgericht Oldenburg als auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg erste Eilanträge gegen diese Abschussgenehmigung zurückgewiesen hatten.

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„Allein diese Umstände und dieses Vorgehen zeigen die Fragwürdigkeit des bisherigen Dialogforums auf und lassen vielmehr den Eindruck entstehen, es handele sich hierbei um ein reines Feigenblatt des Umweltministeriums. Dies ist nicht unser Anspruch an ein solch institutionalisiertes Dialogforum, und noch viel weniger wird es der Brisanz der Konfliktlage in Niedersachsen gerecht“, so Meinecke weiter zu den Gründen des Ruhelassens der Mitarbeit.