Buchholz. Die Buchholzer könnten schon bald ihr Fett wegbekommen. Die Stadtverwaltung Buchholz prüft aktuell die Teilnahme an einem neuen Entsorgungssystem für Fette und Öle, die in privaten Haushalten anfallen. Wie das Abendblatt erfuhr, laufen derzeit Gespräche mit den Initiatoren des Modellprojekts „Jeder Tropfen zählt“.
Bei dem in Deutschland neuartigen Mehrweg-Sammelsystem des Unternehmens mit Sitz in Thalmässing bei Nürnberg geht es darum, genutzte Speisefette und -öle aus Privathaushalten zu sammeln und an die mittelständischen Hersteller von Biodiesel für Pkw, Lkw, Bau- und Landmaschinen, Schiffs- und Flugverkehr weiterzugeben.
Sammelsystem zur Nutzung von gebrauchten Speiseölen und Fetten
Bei dem Sammelsystem, das bereits als Pilotprojekt in mehreren süddeutschen Städten und Gemeinden Erfolge feiert, handelt es sich um ein Mehrwegsystem, bei dem die Haushalte in einem frei Haus verteilten Sammelbehälter sämtliche anfallende, gebrauchte Speiseöle und -fette sammeln. Der Mehrwegbehälter kann rund um die Uhr an Sammelautomaten getauscht werden. Diese sollen an hochfrequentierten Nachversorgungspunkten, zum Beispiel auf Supermarktparkplätzen, aufgestellt werden. Der Automat selbst wird über Solarmodule mit Strom versorgt. Ist er voll, meldet er digital an die Zentrale, dass er geleert werden muss.
„Wir sind derzeit in engem Austausch mit der Tiefbauabteilung der Stadt Buchholz“, bestätigt Projektleiter Christian Hilbert auf Abendblatt-Anfrage. Diese soll, so hat es der Verwaltungsausschuss beschlossen, das Sammelsystem zur Nutzung von gebrauchten Speiseölen und -fetten für die Nordheidestadt sowie mögliche Standorte und entstehende Kosten prüfen. Buchholz wäre damit die erste Kommune in Norddeutschland, die das noch junge Nachhaltigkeitsprojekt flächendeckend umsetzen würde.
In einigen süddeutschen Städten läuft das Sammelsystem
In einigen süddeutschen Städten ist das Sammelsystem bereits erfolgreich angelaufen. Jetzt freut sich Projektleiter Christian Hilbert darauf, mit dem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt 2019 geförderten Nachhaltigkeitsprojekt möglicherweise auch in Norddeutschland durchzustarten. Denn: Bisher werden in Deutschland – bis auf wenige Ausnahmen – genutzte Speiseöle nur aus der Gastronomie und Lebensmittelindustrie gesammelt und weiterverwertet. Dabei fallen in den Privathaushalten pro Jahr bis zu 500 Gramm pro Bürger an, wie das Unternehmen berechnet hat. „Bei einer Stadt wie Buchholz mit 40.000 Einwohnern wären das im Jahr 20 Tonnen Fett pro Jahr“, sagt Christian Hilbert. Fett aus Töpfen, Pfannen und Fritteusen, das in den meisten Fällen im Abfluss und damit im Abwassersystem der Stadt landet.
Damit genau das nicht mehr passiert, haben die Initiatoren von „Jeder Tropfen zählt“ ein Sammelsystem entwickelt, das sowohl für die Kommunen wie auch für die Bürgerinnen und Bürger ganz einfach umzusetzen ist. „Mit unserem Pilotprojekt bieten wir ein komplettes Sammelsystem von A-Z“, verspricht Projektleiter Christian Hilbert. „So stellen wir jedem Haushalt einer teilnehmenden Kommune einen Sammelbehälter zur Verfügung, um darin gebrauchtes Öl zu sammeln.“
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Bei dem Behälter handelt es sich um eine handliche Dose mit Schraubdeckel mit einem Fassungsvermögen von 1200 Milliliter. Sie ist geruchsdicht und auslaufsicher, leicht, bruchfest und kann mit bis zu 70 Grad Celsius heißem Altspeisefett befüllt werden. Ist das Gefäß voll, kann es an einem der Sammelcontainer abgegeben werden. Im Tausch bekommt der Nutzer direkt aus dem Automaten kostenlos einen neuen, sauberen Behälter zurück.
Was in die Behälter gefüllt werden darf und was nicht, steht außen drauf. Altöl und Dressings sind zum Beispiel tabu. Auch für die teilnehmenden Kommunen ist der Aufwand gering. Um das Aufstellen und die Wartung der Automaten, das Verteilen der Behälter und Flyer sowie die Leerung, Bestückung und technische Pflege kümmert sich der Betreiber, unterstützt von ehrenamtlichen Kräften vor Ort. So halfen zum Beispiel in Fürth Schüler bei der Verteilung der Sammelbehälter an die Haushalte.
Entlastung von Kanälen und Kläranlagen durch Sammlung
Es sind die Vorteile für die Umwelt, die dafür gesorgt haben, dass inzwischen in Bayern und Baden Württemberg 76 Automaten im Einsatz sind. „Wir erfassen auf diese Weise einen wertvollen Rohstoff im Abfallstrom“, sagt Christian Hilbert. „Und wir entlasten Kanäle und Kläranlagen, so dass es weniger Ungeziefer im Kanalsystem gibt. Darüber hinaus werden die Kosten und der Frischwasserverbrauch der Kanal- und Kläranlagen reduziert.“ Und: „Die Sammlung ist ein wichtiger Beitrag zur Erreichung kommunaler CO2-Ziele, da der aus dem Altöl hergestellte Biodiesel eine über 90 Prozent bessere CO2-Bilanz hat als herkömmlicher Diesel“, so Hilbert, dessen Team bereits im November 2018 mit Pilotprojekten in drei Stadtteilen Erlangens, einem Stadtteil in Fürth und in fünf Gemeinden im Landkreis Roth gestartet ist.
Es habe sich gezeigt, dass die Menschen mitmachen und das Sammelsystem funktioniert, berichtet Hilbert. Aktuell werden pro Bürger 500 Gramm Altspeiseöl gesammelt. Hat sich das Sammelsystem nach fünf Jahren etabliert, erwartet das Unternehmen 700 Gramm Altspeiseöl je Bürger. Das Gesamtpotenzial schätzt Hilbert auf zirka 1300 Gramm pro Bürger und Jahr.
Inzwischen mehr als 500.000 Bürger bei der Sammlung integriert
Inzwischen hat der Landkreis Roth im Südosten von Bayern als erster in Deutschland das Sammelsystem flächendeckend beschlossen. Auch die Städte Fürth und Erlangen wollen die Sammlung auf das gesamte Stadtgebiet ausdehnen. „Damit haben wir inzwischen mehr als 500.000 Bürgerinnen und Bürger in unsere Sammlung integriert“, so Hilbert.
Er betont, dass das Sammelsystem bei allem Erfolg immer eine kleinteilige Sammlung mit entsprechendem Aufwand bleiben werde, der sich nicht allein durch den Erlös des Wertstoffs trage. „Es bedarf einer geringen Bezuschussung“, so der Projektleiter. „Selbst, wenn der Bürger am Anfang der Kette fleißig sammelt.“ Aktuell sei ein Zuschuss von zirka einem Euro pro Bürger und Jahr für Kommunen und Landkreise notwendig, vorbehaltlich möglicher anteiliger Zusatzkosten für den aufgrund der Entfernung notwendigen regionalen Dienstleistungspartner.
Ob die Stadt Buchholz das Geld aufbringen und als Kommune in das Sammelsystem einsteigen wird, hängt nun vom politischen Willen ab. Sollte sich die Mehrheit der Ratsmitglieder dafür entscheiden, dass trotz fehlender gesetzlicher Vorgaben der Wertstoff Altspeiseöl/-fett vor dem Abfluss und Restmüll bewahrt und einer sinnvollen Zweitnutzung zugeführt werden soll, könnten die Buchholzer das System bereits im kommenden Jahr nutzen. Denn Hilbert erklärt dazu: „Wenn die Stadt keine Ausschreibung für das Projekt durchführen muss, können wir das Projekt in sechs Monaten realisieren.“
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