Serie: Unternehmen mit Geist

Funktionierst du noch oder lebst du schon?

| Lesedauer: 6 Minuten
Carolin George
Ela Freudenmeer nennt sich selbst die „Anschubserin“. Im Rolli trägt sie High Heels – sie muss „schließlich nicht darauf laufen.

Ela Freudenmeer nennt sich selbst die „Anschubserin“. Im Rolli trägt sie High Heels – sie muss „schließlich nicht darauf laufen.

Foto: Carolin George

Das Abendblatt stellt in dieser Serie ausgezeichnete Unternehmer vor. Heute: Ela Freudenmeer gibt Online-Coachings als „Anschubserin"

Kakenstorf. Vor ein paar Jahren hat sie selbst noch so gedacht: Natürlich würde ich mir etwas erlauben, das mir guttut. Ich bin doch schließlich erwachsen, muss niemanden mehr um Erlaubnis fragen! Ich tu es einfach! Doch so einfach ist das Ganze eben nicht.

Und wenn es so einfach wäre, dann wäre Ela Freudenmeer jetzt nicht als „Anschubserin“ selbstständig. Dann hätte niemand Interesse an ihren Workshops, und dann wäre sie nicht für den Preis „Unternehmergeist“ der Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg nominiert worden.

Eine Erkenntnis veränderte ihr Leben

Denn viele Menschen, das weiß die Kakenstorferin aus ihrer Erfahrung als Coach, erlauben sich eben nicht selbst, was ihnen guttut – und wenn es nur darum geht, eine bereits getroffene Verabredung abzusagen, weil sie gerade doch zu viel ist. „Das ist profan“, sagt Ela Freudenmeer und zuckt ein wenig mit den Schultern. „Aber damit fängt es an.“ Für sie selbst sei die Erkenntnis, dass eben nur sie es sein kann, die sich ein gutes Leben erlaubt, ein Gamechanger gewesen: etwas, das ihr Leben grundlegend veränderte. Ein Paradigmenwechsel.

Die gelernte Bürokauffrau machte eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin, arbeitete in verschiedenen Berufen und Positionen, zuletzt als Assistentin der Geschäftsführung in einem Familienunternehmen. Doch die Reaktionen ihrer Umwelt auf ihre Ausstrahlung brachten sie auf eine ganz andere Idee. Denn immer wieder hörte sie die Frage: Wie machst du das? Deine Lebensfreude, deine Leichtigkeit – woher nimmst du die?

Sie ließ sich zum Coach ausbilden und als Rednerin. Dann begann sie, nebenberuflich Workshops und Vorträge zum Thema Lebensfreude zu halten: als Ela Freudenmeer, die „Anschubserin“. Vor genau zwei Jahren traf die gebürtige Buchholzerin die Entscheidung: Sie beschloss, sich voll und ganz auf ihre Selbstständigkeit zu konzentrieren und kündigte ihre Teilzeitanstellung. „Ich wusste: Das ist es, was mir Spaß macht, was mir guttut.“ Sie erlaubte sich, nur noch genau davon leben zu wollen.

Im März 2020 ging Ela Freudenmeer an den Start, wollte die ersten Workshops geben. Aufträge waren längst da, Termine im Kalender. Als wenig später exakt Null dieser Termine übriggeblieben waren. Es war März 2020, die Corona-Pandemie begann. Als Erstes dachte die frisch gebackene Unternehmerin daran, Firmen Onlinekurse für die Mitarbeitenden anzubieten. „Dann merkte ich aber, dass es sehr viel Bedarf im Privatbereich gibt“, erzählt Ela Freudenmeer. „Viele Menschen standen vor großen Herausforderungen und nahmen Tipps dankbar an.“ Denn das ist ihr Ziel: „Ich möchte inspirieren, ich gebe gern Impulse. Ich möchte mehr Lebensfreude in die Welt bringen.“

Ihr Prinzip dabei nennt sie das Ela-Prinzip: erlauben, loslassen und aufmerksam sein. Viele Menschen, besonders Frauen, erlauben sich ihrer Erfahrung nach zum Beispiel nicht, mehr Erfolg zu haben. „Obwohl sie unglaublich viel auf dem Kasten haben.“ Beim Loslassen geht es unter anderem um vorgefertigte Meinungen oder auch das Gefühl, ohne einen selbst laufe gar nichts. Oft spielen auch falsche Verantwortungen eine Rolle. „Manch einer fühlt sich für das Glück der halben Welt verantwortlich“, sagt die 41-Jährige. „Nur für das eigene nicht.“ Und aufmerksam sein? „Sollten wir dafür, was gut ist, was es zu feiern gibt und wofür wir dankbar sein können.“

Sie weiß, dass das alles furchtbar einfach klingt. „Ist es für viele aber nicht.“ Auch das weiß sie. Sie selbst ist keine Psychologin, betont Ela Freudenmeer. „Meine Expertise ist mein Leben.“ Dazu gehört unter anderem, dass sie etwa die Hälfte davon mit Rollstuhl lebt. Doch eine Frage steht natürlich immer im Raum: Wer das Prinzip „Ela – erlauben, loslassen, aufmerksam sein“ verfolgt und mehr Lebensfreude in die Welt bringen will, kann nicht ernsthaft „Ela Freudenmeer“ heißen. Oder etwa doch?

Ela Freudenmeer ist ihr eingetragener Künstlername

„Nein“, sagt Ela Freudenmeer und lacht. „Das ist ein Künstlername.“ Zunächst hatte sie ihre Selbstständigkeit so benannt, später gab es die ersten überraschten Reaktionen von Kundinnen und Kunden: „Ach, du heißt gar nicht so?“ – noch ein wenig später die Frage: „Warum nennst du dich nicht einfach wirklich so?“

Schließlich traf sie den Entschluss, die zweite Version ihres Namens in den Personalausweis eintragen zu lassen. „Das hilft auch in Sachen Impfnachweis ungemein“, sagt Daniela Gobat und zwinkert.

Ihr Online-Coaching hat sie mittlerweile erweitert um ein Karten-Set „Nimm Kurs auf dein bestes Leben“ – sie liebt das Meer, Segeln und die damit verbundenen Assoziationen – sowie einen Jahreskalender mit selbst entwickelten Impulsen für jeden Monat. Eine Frage von ihr lautet beispielsweise: „Funktionierst du noch oder lebst du schon?“ Für feste Kundinnen und Kunden bietet sie einmal in der Woche einen Online-Workshop an, außerdem gibt es eine kostenlose Gruppe auf der Netzwerkplattform Facebook.

Ihre Kurse kosten je nach Umfang und Dauer zwischen 27 bis mehrere hundert Euro, außerdem bietet sie Einzelmentoring an. Für dieses Jahr plant Freudenmeer außerdem zwei sogenannte Retreats, also Rückzüge, und neu ein Seminar in „Journaling“ – dem ungefilterten Schreiben zu einer bestimmten Frage, zum Beispiel: „Was wäre, wenn ich mein Licht nicht mehr unter den Scheffel stellen würde?“ Wichtig sei dabei vor allem, dass der oder die Schreibende einfach zu Papier bringt, was im Kopf entsteht – ohne es vorher zu bewerten, zu sortieren und innerlich zu zensieren. „Es ist krass, was bei solchen Übungen herauskommen kann“, sagt Ela Freudenmeer. „Durch das Schreiben kommen wir unserem Unterbewusstsein auf die Schliche und entdecken ein Potenzial, das wir uns nicht zu denken erlauben. Wenn ich zum Beispiel über ein fest gestecktes Ziel schreibe, finde ich beim Schreiben darüber schon den Weg dorthin. Beim reinen Nachdenken passiert das weniger.“