Mindestens 154 beschädigte Behälter mit radioaktivem Müll lagern im Kernkraftwerk Brunsbüttel. Betreiber Vattenfall legt Konzept vor

Kiel/Brunsbüttel. Mit eigens entwickelter Technik will der Energiekonzern Vattenfall das Problem mit den verrosteten Atommüllfässern im Kraftwerk Brunsbüttel lösen. Drei Jahre ist es her, dass die Verantwortlichen auf die Fässer aufmerksam wurden, im vergangenen Jahr dann wurden die Kavernen unter dem Reaktorgebäude mit einer Spezialkamera inspiziert. Das erschreckende Ergebnis: Bislang wurden 573 der insgesamt 632 Fässer klassifiziert, 154 weisen schwere Schäden auf. Die restlichen Fässer in Kaverne VI werden erst zugänglich für eine Untersuchung, wenn die Bergung läuft.

Das vom Betreiber am Montag vorgestellte Bergungskonzept sieht einen Zeitrahmen von drei Jahren vor. Beginnen kann die Bergung aber erst im August, weil die technischen Geräte Spezialkonstruktionen sind, die erst dann zur Verfügung stehen. Dies gilt vor allem für die ferngesteuerten Greifvorrichtungen, die je nach Zustand der Fässer unterschiedlich sind. Für wenig beschädigte Fässer mit dem schwach- und mittelradioaktiven Müll wird es einen „Winkelringinnengreifer“ geben, Fässer mit mittelschweren oder starken Auffälligkeiten sollen mit einem „Deckel-Boden-Greifer“ geborgen werden.

Zu den zahlreichen Auflagen der jetzt erteilten Genehmigung der Atomaufsicht gehört, dass die radioaktiv verseuchten Verdampferkonzentrate aus dem Betrieb des Atommeilers zwischen 1977 und 2007 nachgetrocknet werden müssen, um erneute Korrosionsschäden an den neuen Behältern zu vermeiden. „Dieser Fehler darf sich nicht wiederholen“, sagte der grüne Umweltminister Robert Habeck am Montag. Dafür wird die Gesellschaft für Nuklear-Service im Auftrag von Vattenfall eine Trocknungsanlage in Brunsbüttel aufbauen und auch eine Pulverharz-Umsaug-Anlage.

Mit ihrer Hilfe soll das ebenfalls aus der Betriebsphase stammende Filterkonzentrat direkt in Gusscontainer umgesaugt werden. Diese Container sind die Voraussetzung dafür, dass der Abfall später ins Endlager Schacht Konrad in Salzgitter gebracht werden kann. Dieses Lager aber wird frühestens 2022 zur Verfügung stehen.Bis dahin bleiben die Abfälle in Hallen am Kernkraftwerk und sollen dort in ein neu zu errichtendes Zwischenlager kommen, wenn es zum beabsichtigen Rückbau des Atommeilers kommt.

Ursprünglich hatten die Betreiber der deutschen Kernkraftwerke damit gerechnet, dass Schacht Konrad bereits Ende der 1990er-Jahre in Betrieb gehen würde. Deswegen lagerten zuletzt in Brunsbüttel so viele alte Fässer.

Alle Arbeiten werden unter strengen Strahlenschutzvorkehrungen für die Mitarbeiter durchgeführt, in einer zu bauenden Einhausung über den Kavernen. Diese Einhausung aus einem Portalkran, Gerüstteilen, Aluminium und Folienauskleidung wird unter Unterdruck stehen, damit keine Radioaktivität entweicht. Eine Gefährdung der Bevölkerung schließt das Ministerium aus: „Alle Arbeiten werden ausschließlich im überwachten Kontrollbereich des Kernkraftwerks durchgeführt“.

Der Betreiber Vattenfall rechnet mit Kosten zwischen elf und 15 Millionen Euro. Die ersten Fässer sollen im dritten Quartal des laufenden Jahres geborgen werden, und Vattenfall hofft, dass die Arbeiten in der ersten Jahreshälfte 2018 abgeschlossen werden können.

Das Bergungskonzept unterteilt die Fässer je nach Zustand in fünf Kategorien, aber noch fehlt ein Konzept speziell für die Kaverne VI. Sie birgt laut Umweltministerium besondere Schwierigkeiten, weil ein Teil der Fässer gegenwärtig noch nicht einsehbar ist. Die stehen teilweise in abgedeckten Stahlbehältern, sogenannten Mulden. Noch ein Problem: In den Kavernen V und VI lagern zudem noch Festkomponenten wie Abschirmbehälter und Fässer mit Metallteilen.

Noch hat sich Vattenfall öffentlich nicht erklärt zum jetzt rechtskräftigen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig, mit dem die Genehmigung für das Brunsbütteler Zwischenlager für die hoch radioaktiven Abfälle einkassiert worden ist. Denkbar ist, eine neue Genehmigung zu beantragen in der Hoffnung, dass die dann fällige genauere Untersuchung auf Sicherheit auch bei modernen panzerbrechenden Waffen und beim Absturz eines Airbus 380 bestanden wird. Umweltminister Habeck hat als Alternative auch auf die Möglichkeit hingewiesen, die letztlich rund 20 Castoren aus Brunsbüttel im benachbarten Atommeiler Brokdorf zu lagern.